Wer gewinnt das Stechen: Herrgott oder AfD?

Bei der Landratswahl im thüringischen Saale-Orla-Kreis räumt AfD-Kandidat Uwe Thrum 45 Prozent ab. Aufhalten kann ihn am 28. Januar nur noch Christian Herrgott (CDU)

CDU-Kandidat Christian Herrgott will „die Heimat stärken“. Uwe Thrum (AfD) steht ein bisschen weiter rechts Foto: Funke Foto Services/imago

Von David Muschenich

Uwe Thrum hat bei der Landratswahl im Saale-Orla-Kreis zwar 45,7 Prozent geholt und damit den höchsten Stimmanteil, aber das war nicht genug, um direkt ins Amt zu kommen. Weil alle Ergebnisse unter 50 Prozent liegen, steht am 28. Januar eine Stichwahl zwischen ihm und dem Zweitplatzierten an, dem CDU-Kandidaten Christian Herrgott mit 33,3 Prozent.

Regina Butz (14,2 Prozent), die von der SPD aufgestellte parteilose Kandidatin, und Ralf Kalich (6,9 Prozent), der Kandidat der Linken, scheiden hingegen aus. Der bisherige Landrat, Thomas Fügmann (CDU), trat aus Altersgründen nicht mehr an.

Der Thüringer AfD-Landtagsabgeordnete Thrum rühmt sich seiner guten Beziehung zu Höcke und pflegt Kontakt mit Reichsbürgern. Dass trotzdem Tausende dem AfD-Kandidaten ihre Stimme gegeben haben, erschüttert das lokale Bündnis „Dorfliebe für alle“. „Insbesondere nach den kürzlich öffentlich gewordenen Deportationsplänen, an denen AfD-Funktionäre beteiligt sind.“ Statt Probleme zu lösen, werbe die AfD „auf dem Rücken der Schwächsten für ihre Agenda“.

Vor der Wahl mobilisierte „Dorfliebe für alle“ mit einem offenen Brief und einer Kundgebung in Schleiz gegen den AfD-Kandidaten. Mehr als 1.400 Menschen unterschrieben, und etwa 300 kamen zur Kundgebung. Die Initiative wolle ihre Arbeit auch bis zur Stichwahl und darüber hinaus fortsetzen – trotz des Ergebnisses von Sonntag. Sollte Thrum in zwei Wochen bei der Stichwahl gewinnen, wäre er nach Robert Sesselmann der zweite Landrat für die AfD in Thüringen.

Land­rä­t*in­nen vertreten ihren Kreis politisch nach außen, sind Ansprechperson für Bür­ge­r*inn­nen und organisieren die Verwaltung, für die im Saale-Orla-Kreis etwa 500 Personen arbeiten. Das Interesse an der Wahl im Saale-Orla-Kreis war hoch. Gaben beim letzten Mal vor sechs Jahren 33,2 Prozent der Berechtigten ihre Stimme ab, waren es dieses Mal laut vorläufigen Zahlen 65,5 Prozent der rund 66.000 Wahlberechtigten.

Ein Grund dafür könnte die im September anstehende Landtagswahl in Thüringen sein. Der Saale-Orla-Kreis gilt als Stimmungsbarometer für den ländlichen Raum. Die Themen, mit denen die Landratskandidaten Wahlkampf machen, beschränken sich nicht auf den Aufgabenbereich von Landrät*innen.

Christian Herrgott ist Generalsekretär der Thüringer CDU und ein erfahrener Politiker. Nach zehn Jahren als Landtagsabgeordneter wolle er jetzt „die Heimat stärken“. Moderne Schulen und Turnhallen stehen bei ihm ganz oben. Im Gespräch mit der taz nennt er noch eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sowie eine bürgernahe, digitale Verwaltung.

In einer Werbeanzeige von Herrgott stehen allerdings andere Forderungen: „Bürgergeld abschaffen. Konsequent abschieben. Windkraft im Wald verhindern.“ Auf Nachfrage verweist er darauf, dass es sich hierbei nicht um sein Wahlprogramm als Landrat handle. Wie es darübersteht, gehe es lediglich um seine „politischen Grundüberzeugungen“, argumentiert Herrgott.

Ähnlich klingen Forderungen des AfD-Kandidaten Thrum: „Asylrecht konsequent anwenden“ oder „Ausbaustopp für Windkraftanlagen“. Allerdings wirbt auch er mit lokalen Themen. Laut Flyer hat Thrum ein Radwegkonzept „erreicht“. Das Problem dabei ist nur: Das Konzept gibt es gar nicht. „Das ist eine Falschbehauptung“, sagt Jan Hartmann vom lokalen Saale-Rad-Forum.

„Thrum schmückt sich gern mit dem Thema Radwege, ist aber nicht an der Arbeit interessiert“

Jan Hartmann, Saale-Rad-Forum

Ein gutes Radwegkonzept sei wichtig für den Kreis. Wer durch die Gegend fahre, müsse immer wieder auf Bundesstraßen ausweichen – „das ist gefährlich“, erklärt Hartmann. Darum habe sich das Forum 2021 überhaupt gegründet. „Herr Thrum schmückt sich gerne mit dem Thema, ist aber nicht an der Arbeit interessiert.“ Der AfD-Mann habe lediglich einen Antrag im Kreistag durchgebracht, der den Landrat mit der Erstellung eines Konzepts beauftragt und durch den Geld für das Konzept bereitgestellt werden soll. Aber „erreicht“ sei noch nichts, betont Hartmann. Als er den AfD-Kandidaten auf einer Wahl-Veranstaltung in Bad Lobenstein damit konfrontiert hat, hat der geantwortet: Es gebe das Konzept, nur nicht auf Papier. Als die taz Thrum danach fragt, schickt er den Antrag aus dem Kreistag und ein Protokoll der Sitzung, bei der dieser beschlossen wurde, nicht aber ein Konzept.

Ralf Kalich, der Kandidat der Linken, klingt kurz nach der Wahl unzufrieden. Es ist nicht das erste Mal, dass der Politiker verliert. Aber, so sagt er: „Ein bisschen mehr hatte ich mir schon erhofft.“ Obwohl der Linke nun nicht mehr im Rennen ist, sei die Wahl noch nicht vorbei. Kalich wolle sich „mit allen demokratischen Mitteln“, die ihm zur Verfügung stehen, „gegen einen AfD-Landrat einsetzen“.

Außerdem zeige das Ergebnis, dass die Kan­di­da­t*in­nen von SPD und Linke wichtig seien. „Ansonsten wäre der Thrum direkt ins Amt gewählt worden.“ So hätten Kalich und Butz zumindest etwas mehr als 20 Prozent auf sich vereint.