Landesparteitag der Linken - Interview: "Die Segregation begrenzen"

Der Landesvorstand der Linken, Sebastian Schlüsselburg, will eine Schule für alle. Auch Gymnasien sollen Kinder mit Behinderungen aufnehmen - und die dafür nötigen Mittel erhalten, fordert er.

taz: Herr Schlüsselburg, Ihr Landesparteitag soll kurz gefasst folgendes beschließen: Gleiche Zugangsbedingungen und gleiche Ausstattung für die künftigen Oberschulformen Sekundarschule und Gymnasium. Beide sollen alle Schulabschlüsse anbieten und SchülerInnen mit besonderem Förderbedarf integrieren. Welche Unterschiede bleiben dann noch?

26, Jurastudent, Bildungspolitiker im Landesvorstand der Linkspartei, war von 2000-02 Landes-, von 2001-02 Bundesschülersprecher.

Sebastian Schlüsselburg: Es ist ja kein Geheimnis, dass wir eine Schule für alle wollen. Wir verfolgen drei Bildungsziele, an denen sich jeder Reformschritt messen muss: dass deutlich mehr SchülerInnen Abitur machen, dass möglichst alle einen Schulabschluss erreichen und dass soziale Ungleichheit abgebaut wird. Das bedeutet, dass sich auch das Gymnasium ändern muss.

Warum?

Weil es seiner Aufgabe nicht nachkommt: Es bringt nicht genug AbiturientInnen hervor. Wir steuern auf einen Fachkräftemangel zu. Deshalb sagen wir tatsächlich: Sekundarschule, Gemeinschaftsschule und Gymnasium haben die gleiche Funktion. Sie sollen zu den gleichen Schulabschlüssen, insbesondere zum Abitur, führen.

Wären SchülerInnen mit besonderem Förderbedarf an den künftigen Sekundarschulen, für die kleinere Klassen und eine bessere Ausstattung als an den Gymnasien vorgesehen sind, nicht besser aufgehoben?

Wir wollen, dass alle Schulen entsprechend ihrer Schülerschaft ausgestattet werden. Einrichtungen, die viele sozial schwierige Schüler haben, brauchen mehr Mittel. Das bedeutet auch, dass Gymnasien, die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf oder körperlichen Behinderungen aufnehmen, die Mittel dafür bekommen.

Sie wollen die sogenannten Sonderschulen langfristig ganz abschaffen.

Wir würden uns doch in die Tasche lügen, wenn wir diese Schulen beibehielten, an die nicht nur lernschwache, sondern auch unliebsame SchülerInnen dann weiterhin abgegeben werden könnten. Zudem gibt es eine neue UN-Verordnung, die uns zu Integration von SchülerInnen mit besonderem Förderbedarf ins Regelschulsystem verpflichtet. Da können wir uns nicht aus der Verantwortung stehlen.

Kommen Sie mit diesen Ideen durch? Es war eine Pankower Gesamtschule, die angesichts der Schulreformpläne von Bildungssenator Zöllner kürzlich beschloss, lieber Gymnasium zu werden. Ihre Ideen haben auch im Osten nicht durchweg Unterstützung.

Natürlich nicht. Aber die Pankower Schule ist ein Einzelfall. Im selben Bezirk nehmen die insgesamt sehr bildungsbewussten Eltern die dort gegründete Gemeinschaftsschule extrem gut an: Die Schule kann sich vor Anmeldungen kaum retten. Deshalb fordern wir auch, dass die Pilotphase Gemeinschaftsschule fortgesetzt wird. Wir möchten, dass die Nachfrage nach Gemeinschaftsschulplätzen gedeckt wird.

Von der Idee einer Sozialquote für Gymnasien haben Sie sich verabschiedet: Sie taucht in Ihrem Antrag nicht mehr auf.

Wir wollen nicht, dass die Diskussion um die Gemeinschaftsschule auf die Sozialquote reduziert wird. Aber: Das Grundproblem der sozialen Selektion beim Übergang in die Sekundarstufe bleibt auf der Tagesordnung. Dafür müssen wir eine Lösung finden. Hätten wir ein ungeteiltes Schulsystem, würde sich diese Frage gar nicht stellen.

Haben Sie keine Angst, dass die Reform zu einem Run auf Privatschulen führen wird?

Viele Privatschulen verwirklichen die Idee der Gemeinschaftsschule. Sie wurden gegründet, weil das staatliche System bislang kaum die Freiheit bot, Reformpädagogik zu machen. Wir bringen nun einiges auf den Weg, was Eltern überzeugen kann, ihre Kinder auf staatliche Schulen zu schicken.

Die Schülerschaft an Privatschulen ist kaum gemischt.

Wir werden soziale Segregation nicht allein durch Bildungspolitik aufhalten. Dazu braucht es ein Zusammenspiel von Bildungs-, Sozial-, Integrations- und Arbeitsmarktpolitik. Dass sich die Bevölkerungszusammensetzung bestimmter Einzugsgebiete in den Schulen dort abbildet, werden wir nicht komplett verhindern können. Wir können nur versuchen, Schule so zu organisieren, dass wir Segregation so gut wie möglich begrenzen.

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