■ Berlinalien: Lampenkrieg in der Friedrichstadt
Was hat Berlins Senatsbaudirektor Hans Stimmann mit dem Gedicht „Der Revoluzzer“ von Erich Mühsam zu tun? Mehr, als er vielleicht ahnt. Als ich kürzlich auf der nächtlichen Nachhausefahrt mit dem Rad in die Kronenstraße – eine Seitengasse der Straße Unter den Linden – einbog, holte es mich doch glatt vom Stahlroß. Nein, es waren nicht der Alkohol oder ein defektes Radbirnchen, die mich mit voller Wucht aufs Pflaster knallen ließen. Schuld hatten vielmehr bombentrichterförmige Schlaglöcher und ein verkanteter Bordstein, die im fahlen Licht der Straßenlaterne schwer auszumachen waren. Gemeinsam mit dem dunkel adaptierten Nachhauseweg waren sie verantwortungslos verantwortlich für den Sturz.
Hans Stimmann muß es nachts in der Ostberliner City ähnlich ergangen sein oder noch viel schlimmer. Doch statt seine Bauarbeiter mit Kies und Teer auf die Straße zu schicken, hantiert er mit neuen Lichtkonzeptionen für die Mitte Berlins herum. Mit den schummerigen Ecken im hauptstädtischen Zentrum muß Schluß sein, tönte er vor zwei Wochen. Weil sonst kaum was läuft, müsse die Stadt durch Licht „zusammenwachsen“. Im Rahmen der Rekonstruktion der Friedrichstadt ist geplant, die 1.500 gelbfarbenen Straßenlaternen sukzessive, peu à peu, aber eisern auszutauschen. Die östlichen Betonmasten mit dem diffusen Aufsatzlicht der Natriumhochdrucklampen haben zu verschwinden. „In dem gelben Licht erscheint alles so tot!“ donnerte der blindwütige Stimmann. Weg sollen die realsozialistischen Beton- und Peitschenformen, die mauerintensiven Bogen- und Kastenleuchten. Hin sollen kölsche Prismenszylinder aus dem Designerhaus Kramer mit Birnen von Philips. Die freuen sich aufs Geschäft.
Und schlimmer noch. Der Abriß droht darüber hinaus den sogenannten Schinkellampen mit sechseckigem Kopf und eingelegten Scheiben, Kupferdach und Krönchen. Schrien im ersten Fall noch viele „Jawoll, hau weg den Scheiß“, so tobt im zweiten der Berliner Lampenkrieg. Die rechte Presse macht Stimmung gegen Stimmann und dessen „ultramoderne“, „seelenlose“ Designerlampe, die die Linden „verschandeln“ wird. „Nach jedem Baum eine Stimmann-Leuchte? – unmöglich!“
Die Angst grassiert vor dem neuen Licht. Wut kocht hoch: „Schinkel gegen Stimmann“. „Tradition gegen Moderne“. „Romantik versus Aufklärung“. Die Gleichschaltung des Lichts in ostwestliche Induktionslampen ruft das „Lampenputzer-Syndrom“ auf den Plan: „Doch die Revoluzzer lachten, und die Gaslaternen krachten.“ Stimmann, ein wilder Anarchist?, das zeitgemäße Lichtkonzept ein Kulturschock?, klagen die Lampenputzer. Wohl kaum. Nur eine der vielen Ersatzdiskussionen im Berlin nach dem Olympia-2000-Desaster. Und Schinkel nimmt uns niemand weg. Warum auch. Rolf Lautenschläger
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