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Laibach-Musical in BerlinBöses Wummern

Laibach machen eine martialische Musik. Aus Prinzip. Ob sie sich in Kriegszeiten anders anhört? Im Berliner Hebbel-Theater konnte man das prüfen.

Auf der Suche nach dem Volk: Laibach im Hebbel-Theater Foto: Dorothea Tuch

E s soll hier mal um experimentelles Hören gehen mit der Frage, ob man die gleiche Musik, zu unterschiedlichen Zeiten wahrgenommen, überhaupt gleich hört. Und damit zu Laibach, den slowenischen Industrialpionieren, deren Musik, wie ein Kollege das mal so hübsch geschrieben hat, sich bestens eigne als Soundtrack „für eine bewaffnete Invasion in ein kleines, neutrales Land“.

Und wumm. So schnell wird aus einer saloppen Formulierung ein böser Strick. Denn diese Invasion in das kleine neutrale Land gibt es gerade ja. Der Krieg. In der Ukraine die blutige Wirklichkeit. Und hierzulande wird er, der Krieg – die veränderten Zeiten – überhaupt erst wieder gedacht.

Dieser Tage spielten Laibach im Berliner Hebbel-Theater, und während das Publikum noch seine Plätze einnahm, war im Saal ein böses Wummern zu hören. Das sollte wohl zeigen, dass man hier nicht in eine Gemütlichkeitszone eingecheckt hatte, nur weil über dem Abend als Gattungsbezeichnung „ein Musical“ stand. Der komplette Titel: „Wir sind das Volk – ein Musical“, das im Theater in einer Wiederaufnahme zu erleben war.

Die Texte von Heiner Müller

Der Text zum Musical wurde aus den Schriften von Heiner Müller geklaubt, dem 1995 verstorbenen Dramatiker und Zyniker mit DDR-Vita, und aus Müller-Material. Dazu wurde man im Saal rundum projiziert mit Bildern beworfen, Hakenkreuze, Stacheldraht und die Namen der Konzen­trationslager, dass einem die Moral von der Geschicht’ gleich klar war. Kann eine überaus grausame Instanz sein, das Volk.

Und dazu eben die Musik von Laibach, der Überwältigungsrock einer Band, die schon aus Prinzip mit dem Feuer spielt, seit sie 1980 im damaligen Jugoslawien die Arbeit aufnahm. Auffällig geworden sind Laibach zum Beispiel mit einer recht getreuen Übersetzung des Queen-Hits „One Vision“. Übersetzt wurde ins Deutsche. Tätersprache. Da heißt es in der zur „Geburt einer Nation“ geformten Vision: „Ein Fleisch, ein Blut/ Ein wahrer Glaube …“ Treu begleitete die Band die ersten Jahre der Faschismusvorwurf.

Auf der Bühne fehlte Milan Fras Corona-infiziert, der Laibach-Frontmann, der schon ein gewichtiges Argument ist, auf ein Laibach-Konzert zu gehen.

Mit Feldherrenstimme

Seine grummelnde Feldherrenstimme wurde von der Konserve eingespielt, seine Silhouette auf den Bühnenhintergrund projiziert, wo er fast wie eine Darth-Vader-hafte Erscheinung wirkte. Man hörte das beherzte Landsknechtgetrommel und den musikalisch marschierenden Stiefelschritt für Stahlgewitter, den man sich mit dem ganzen Pathos und dem Heroischen ja doch auch immer wieder als Versuchsanordnung gönnte, wie viel an Reichsparteitagsstimmung und Überwältigungsgestik es bitte schön sein darf.

Aber es ist eben auch in dieser Denkübung ein anderes Marschieren, wenn da fern am Horizont Geschützdonner zu hören ist. Das Pathos: bitterer. Der (letztlich der Aufklärung verpflichtete) Zynismus: ausgestellter.

Und man mag sich täuschen: Aber war in dem Pathos und dem ganzen Stampf nicht auch ein Schmerz zu hören?

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Thomas Mauch
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1960, seit 2001 im Berlinressort der taz.
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2 Kommentare

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  • "Auf der Bühne fehlte Milan Fras Corona-infiziert, der Laibach-Frontmann, der schon ein gewichtiges Argument ist, auf ein Laibach-Konzert zu gehen."

    Besser Laibach als die billige Replika mit den peinlichen Texten aus Ostberlin.

  • Der Begriff Fanfarenrocker ist etwas merkwürdig für dieses Gesamtkunstwerk. Sie begleiten mich seit 1994, insbesondere in solchen Situationen wie aktuell und helfen mir damit klarzukommen und die Schrecken der Gewalt zumindest etwas zu verarbeiten.