Lafontaine über Grüne und Bergbau: "Ich bin kein Prophet"
Oskar Lafontaine ist Spitzenkandidat der Saar-Linken. Obwohl die Grünen potenzieller Partner sind, attackiert er sie hart und versteht nicht, warum sie für die Linken keine Dankbarkeits-Kerzen anzünden.
taz: Herr Lafontaine, was haben Sie eigentlich gegen die Grünen?
Oskar Lafontaine: Die Grünen sind mal als Friedenspartei angetreten, heute sind sie für den Krieg in Afghanistan. Krieg ist die schlimmste Form der Umweltzerstörung durch Streubomben und Uranmunition. Grün und Krieg gehen für mich niemals zusammen.
Ich meine die Kampagne, die Sie im Saarland gegen die Grünen führen und dort als "Vernichtungsfeldzug" empfunden wird...
Die Saar-Grünen haben uns den Fehdehandschuh hingeworfen. Sie haben ohne jede Begründung erklärt, dass sie mich nicht zum Ministerpräsidenten wählen, wenn wir stärker als die SPD werden. Jetzt spinnt die Künast auch noch. Wegen unserer "Persönlichkeit" könnten die Grünen Ramelow und mich nicht zum Ministerpräsidenten wählen. Wir müssen wohl erst bei Frau Künast zum Persönlichkeitstraining erscheinen
Für Rot-Rot alleine wird es an der Saar kaum reichen. Ist es nicht äußerst unklug, die Grünen so hart zu attackieren?
Die Grünen brauchen uns genauso wie die SPD. Ohne eine starke Linke hätten weder SPD noch Grüne eine Chance, an einer saarländischen Landesregierung beteiligt zu werden. Deswegen sind wir etwas überrascht über die undankbare Haltung der Grünen. Wir hatten eigentlich erwartet, dass sie jeden Tag eine Kerze für uns ins Fenster stellen.
Den Grünen kann am 30. August die Rolle des Königsmachers zufallen. Falls weder Schwarz-Gelb noch Rot-Rot über eine Mehrheit verfügen, liegt es an ihnen, wer regiert. Die Stimmung zwischen Grünen und Linkspartei ist an der Saar schon seit längerem angespannt. Am Dienstag legte Renate Künast, Fraktionschefin der grünen Bundestagsfraktion, nochmal nach. Die Grünen würden weder Oskar Lafontaine noch Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählen. Sie begründet dies mit "den Persönlichkeiten der beiden Spitzenkandidaten".
In der Landespolitik sind sich SPD, Grüne und Linkspartei in vielem nahe - nur beim Bergbau nicht. Die Linkspartei will dessen Fortführung, die Grünen dessen Ende. Wie ernst ist Ihnen die Fortsetzung des Bergbaus wirklich?
Wir wollen die Brücke ins Solar-Zeitalter bauen. Da wir strikt gegen Atomenergie sind, brauchen wir fossile Brennstoffe wie Kohle, Gas und Öl weiter für den Übergang. Im Saarland wollen wir zumindest, dass die Zwangsumsiedlung von 1.700 Bergleuten nach Ibbenbüren in NRW vermieden wird.
Soll der Bergbau im Saarland fortgeführt werden?
Ja. Wir hoffen, dass die Deutsche Steinkohle auf Druck der Müller-Regierung keine vollendeten Tatsachen geschaffen hat.
Und wenn doch?
Genaue Angaben über die mögliche Fortsetzung des Bergbaus können wir erst machen, wenn wir verlässliche Daten haben. Die bekommen wir erfahrungsgemäß erst, wenn wir in der Regierung sind.
Kann Rot-Rot-Grün am Bergbau scheitern?
Wir haben noch kein Wahlergebnis. Im Übrigen bin ich kein Prophet.
Anders gefragt: Reichen die politischen Gemeinsamkeiten überhaupt für Rot-Rot-Grün?
Es gibt große Überschneidungen in der Bildungspolitik. Wir wollen längeres gemeinsames Lernen, die Überwindung des Turboabiturs G 8 und keine Studiengebühren. Ähnliches gilt für die Förderung erneuerbaren Energien. Die Linkspartei will zudem die Rekommunalisierung der Energieversorgung.
Und was, wenn ein Sparhaushalt verabschiedet werden muss? SPD-Chef Heiko Maas traut der Linkspartei nicht zu, Unangenehmes mitzutragen. Wäre die Linkspartei ein verlässlicher Koalitionspartner?
Wir wären nicht nur ein verlässlicher Koalitionspartner, sondern auch ein sachkundiger. Ich kenne im Übrigen keine Sparvorschläge von SPD oder Grünen.
Kann die Linkspartei einen Sparhaushalt verabschieden?
Es gab in den letzten Jahren bereits zuviel Sozial- und Personalabbau. Wir halten weitere Streichkonzerte für nicht vertretbar. Daher schlagen wir vor, die staatlichen Einnahmen zu erhöhen z.B. mit der Vermögenssteuer. Hätten wir eine Vermögensbesteuerung wie in Großbritannien hätten wir jährlich 90 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Um die Länderhaushalte zu konsolidieren, brauchen wir mehr Einnahmen und mehr Wirtschaftswachstum.
Herr Lafontaine, die Bundes-SPD braucht dringend einen Erfolg im Saarland - als Signal für die Bundestagwahl. Den gibt es nur, wenn auch die Linkspartei stark genug wird. Die Bundes-SPD hängt somit indirekt vom Erfolg der Linkspartei ab. Freut Sie das eigentlich?
Die Linke ist gegründet worden, um die neoliberale Politik zu überwinden. Uns war immer klar, dass wir dies dies nicht alleine, sondern nur mit Partnern können. Deshalb freut es uns, wenn die SPD ihre irrationalen Berührungsängste langsam abbaut, die ihr konservative Parteien und Medienkonzerne einreden. Ich hoffe, dass die SPD und Grüne bald das Fünfparteiensystem akzeptieren und erkennen, mit wem sie demokratische, ökologische und soziale Reformen verwirklichen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe