Lärmschutz für Kreuzberger Club: SO36 baut die Mauer auf
Der Kreuzberger Club hat es geschafft: Gegen antimusikalische Elemente wehrt er sich mit einer Schallschutzmauer und sichert so seine Existenz. Jetzt beginnt der Aufbau.
Niemand hatte die Absicht, sie zu bauen. Aber nur eine Mauer kann das SO36 retten, denn die Zeiten der friedlichen Koexistenz von Nachbarn und Musikfreunden sind vorbei - nicht nur in Kreuzberg. Ab dem heutigen Freitag wird er errichtet, der "akustische Schutzwall" zwischen dem legendären Club und dem angrenzenden Mietshaus. Er soll die Bässe der Punk- und Hardcorebands so verschlucken, dass die Nachbarn ihre nächtliche Ruhe finden können.
"Wir sind endlich gerettet", sagt Nanette Fleig, Sprecherin des SO36 am Heinrichplatz. Nach anderthalb Jahren Kampf und Spendenaufrufen sind die 100.000 Euro für die Lärmschutzwand aufgebracht. Dazu beigetragen haben neben einer Auszeichnung und vielen Spenden die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die in dieser Woche Fördergelder bewilligte. Ab September dürfen Bands und DJs die Anlagen wieder aufdrehen - über Zimmerlautstärke hinaus, wie in den letzten Monaten.
Laut geht es in dem Kreuzberger Urgestein seit 31 Jahren zu. Mit Konzerten von Punklegenden wie den Dead Kennedys machte sich der Laden einen Namen in der Alternativszene. Inzwischen ist der Konzertclub zudem zum Treffpunkt der queeren Szene geworden, bekannt etwa für die monatlichen schwullesbischen Oriental Nights.
Die Bedrohung der Kiezinstitution hatte mit der Beschwerde eines Nachbarn begonnen, der das Ordnungsamt anrief. Deren Lärmmessung ergab: Das SO36 ist zu laut, der Messwert lag bei knapp 50 Dezibel, 5 mehr als zulässig. Es folgten zähe Verhandlungen mit der Hausverwaltung, die der Lärmschutzwand schließlich zustimmte und den Mietvertrag um zehn Jahre verlängerte.
Für das Einlenken der Hausverwaltung habe vor allem die Unterstützung von Medien, Musikern und Gewerbetreibenden der Oranienstraße gesorgt, ist sich die SO36-Sprecherin sicher. In jedem zweiten Laden hingen Protestplakate mit dem Slogan "SO36 bleibt"; ein naher Weinladen kreierte einen Soliwein, sogar die Toten Hosen gaben ein Solikonzert. 20.000 Euro Spenden seien so insgesamt zusammengekommen; hinzu kamen die 20.000 Euro Preisgeld des Live Entertainments Awards im April dieses Jahres. Dabei wurde das SO36 zu Deutschlands "Club des Jahres" auserkoren. "Das war auch ein symbolischer Akt für die ganzen Clubs, die derzeit Überlebensprobleme haben", sagt Fleig.
Die Rettung des SO36 ist eine absolute Ausnahme, kritisiert Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubmission, einem Zusammenschluss von Clubs. "In Berlin brennt es an allen Ecken. Immer mehr Clubs haben Probleme mit Lärmschutzauflagen." Im Moment fallen vor allem Läden in Prenzlauer Berg der Gentrifizierungswelle zum Opfer. Wegen Anwohnerbeschwerden muss der 50 Jahre alte Knaack Club an der Greifswalder Straße nach einem neuen Asyl suchen, der Kellerclub Icon in der Cantianstraße hat die Lizenz verloren, und auch das Ballhaus Ost in der Pappelallee darf keine Partys mehr veranstalten. "Berlin kann nicht mit seiner Clubszene werben und dann alles schließen, um Totenstille für die Zugezogenen zu haben", klagt Leichsenring.
Im Fall des SO36 hat der Senat immerhin das Problem erkannt. In dieser Woche gab die Senatsverwaltung grünes Licht, dass die fehlende Summe aus Mitteln des Programms "Soziale Stadt" aufgebracht werde. "Das SO36 steht für kulturelle und interkulturelle Vielfalt und schafft einen Mehrwert an Lebensqualität in Kreuzberg", begründet Mathias Gille, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, am Donnerstag die Entscheidung.
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