: Lähmung-betr.: Kommentar "Apathie", taz vom 3.11.88
betr.: Kommentar „Apathie“, taz vom 3.11.88
Aufgehorcht: K.Hartung, sonst eher der milde Sympathisant einer rosagrün temperierten zivilen Gesellschaft (was immer „zivil“ heißen mag), spricht von - „Vision“! „Es geht um die Vision einer anderen Gesellschaft“. Ja, warum denn das auf einmal? Wegen Waldsterben. Die Leute haben, so K.H. systemtheoretisch argumentativ bündelnd, gemerkt, „daß alles miteinander zusammenhängt“. Aber was ist die Tiefenstruktur, das Wesen, das hinter so unerfreulichen Erscheinungen wie Pseudokrupp, Lungenkrebs und Hormonkälbern steckt? Originalton Hartung: „Der Abgrund zwischen Wissen und politischen Optionen lähmt.“ Oder führt das Wissen der eigenen Option in den Abrund der Lähmung? Hartungs „geschärftes Bewußtsein“ sieht einer weiteren Lähmung ins Auge: „Dem lähmenden Mangel politischer Antworten“. So wird ihm der eigene Mangel zum allgemeinen: denn dem Skandal des Waldsterbens an die Wurzel gehen hieße über Produktionsweise und Bedürfnisstruktur radikal nachdenken müssen: wer sich mit den Radikalökologen nicht gemein machen will, sollte vom Waldsterben schweigen.
Als Sponsor der Realogrünen sollte Hartung sich den Verbalradikalismus von den „großen Koalitionen (eine reicht nicht) gegen das herrschende Parteiensystem“ sparen. Dagegen paßt Hartungs Hoffnung, zum zehnjährigen Jubiläum des Waldschadensberichts werde Druck da sein, da Politik sich „immer mehr um die Jahrestage organisiert“ besser zur literarischen Form der Sonntagsrede.
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