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Lachsfarben gut gelümmelt

■ Luc Bondy inszenierte in Berlin an der Schaubühne Salonkomödien von Guitry

Das ist eine laue Theatersaison geworden in Berlin. Statt zu inszenieren, haben sie sich inszeniert oder inszenieren lassen, die Herren der Theaterschöpfung: Frank Castorf mochte seine provokativen Sätze über den Wunsch nach mehr „faschistoiden, vitalen Gedankengängen“ nicht zurücknehmen, Peter Zadek äußerte im Spiegel seine Bedenken und verdächtigte im gleichen Text en passant Heiner Müller und Einar Schleef, den „neu-deutschen Nationalismus“ anzuheizen. Kollege Müller, immerhin Zadeks Partner im Direktorium des Berliner Ensembles, tut das Klügste, was man in dieser Situation tun kann: Er schweigt.

Auch Luc Bondy hat sich zu Wort gemeldet, entrüstet wie andere Theaterleute auch, über die Schandtat ihres Leib-und-Magen- Blattes Theater heute, das ihnen nach einer Veröffentlichung zweier Botho-Strauß-Briefe ganz unverdaulich geworden ist. Überhaupt hat sich der ganze Schaubühnen-Trupp mit Strauß solidarisiert. Luc Bondy jedoch, der Erfolgsgarant der der chefdramaturgisch verwaisten Schaubühne, zu dessen neuesten Inszenierungen die gesamtdeutsche Theaterschickeria angereist war, hat bereits angekündigt, er werde in den nächsten Jahren nur noch Filme drehen. Armer Botho Strauß!

Der zweisprachige Bondy, der in Frankreich mehr zu Hause ist als in Deutschland, hat versucht, die gehobene Unterhaltung, die französische Salonkomödie in die Berliner Stätte der geistigen Noblesse einzuführen. Inszeniert hat er zwei Stücke an zwei Abenden („Der Illusionist“ und „Träumen wir!“) von Sacha Guitry (1885-1957), einem der erfolgreichsten Dramatiker und Schauspieler des französischen Theaters und später auch des französischen Films. Durch seine Liebäugelei mit der deutschen Besatzungsmacht setzte sich Guitry ähnlich wie Jean Cocteau allerdings in die Nesseln, und saß sechzig Tage im Gefängnis, bis er vom Vorwurf der Kollaboration freigesprochen wurde. Luc Bondy sagt in einem Interview, Guitry sei eine Art Vorläufer Woody Allens gewesen. Er hat immens viele Stücke für sich und seine immens vielen Frauen und Mätressen geschrieben, in denen er die sich mannigfaltig ergebenden Probleme sofort umsetzte. Klar, daß auch „Der Illusionist“ (1922) und „Träumen wir!“ (1916) von Ehebruch handeln, dessen intimere Details – da halbseiden – wir getrost auslassen können.

„Der Illusionist“ zumindest konfrontiert die reiche Bürgerwelt mit dem Tingeltangel; schon lange habe ich Gert Voss nicht mehr so überzeugend, so hinreißend verführerisch erlebt. Er lügt nicht, sondern sagt das, was die Leute von ihm hören wollen. Einer Dame (Dörte Lyssewski), die erobert sein will, spielt er eine Reise zu zweit vor, wie sie schöner nicht sein könnte: von den Pyramiden Ägyptens bis zur Apfelbaumblüte in Japan. Am nächsten Morgen malt er ihr dieselbe Tour in düstersten Farben aus; er behält seine Unabhängigkeit und sie ihren langweiligen Liebhaber, ihr Geld – und eine nette Erinnerung.

„Der Illusionist“ ist gekonntes Schauspielertheater, das sich genüßlich auf lachsfarbenen Sesseln lümmelt und in Champagnerseelen badet (und damit, auch als leichte Kost, verdammt gut in die Schaubühne paßt). Man muß das nicht mögen, aber man kann es genießen. Selten war Libgart Schwarz so komisch, als Dienstmädchen im engen schwarzen Kleid auf staksigen Schuhen, etwa so meschugge wie ihre Herrschaft.

Schade, daß sie als Gattin im zweiten Stück, „Träumen wir!“, um einiges blasser wirkt. Ihr Partner (für den Ehebruch) ist diesmal Otto Sander, der jedoch eher unbeholfen über diesen Theaterboulevard schlittert. Mal spielt er den Lakonischen, mal überzieht er kräftig. Nur einmal läuft er richtig zu Form auf, als auch er imaginiert, illusioniert, wie sich die Dame seines Herzens auf dem Weg zu ihm befindet. Währenddessen dekoriert und parfümiert er auf pedantischste Weise das Schlafzimmer (einschließlich der Rosen), sorgt für die passende Beleuchtung und legt vorsorglich die Uhr an.

Das Stück bleibt im Milieu, im sich intellektuell gerierenden Großbürgertum, das selbstverständlich das Lachsfarbene liebt und seinen Sinn für Kunst schon bei den Möbeln und der farblich übereinstimmenden Livree des Dieners erweist (Bühne: Gilles Aillaud; Kostüme: Moidele Bickele). Was nach innen und zu mehr Tiefgang führen sollte, kratzt bloß am Lack – und der ist, hat man keinen Illusionisten wie Gert Voss zur Hand, schnell ab. Sabine Seifert

„Träumen wir!“ und „Der Illusionist“ von Sacha Guitry, Regie: Luc Bondy, Bühne: Gilles Aillaud.

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