La Palma auf den Kanaren: Wo das Firmament strahlt
Die größte Sternwarte Europas mit optimalen Bedingungen steht auf dem Roque de los Muchachos. Dort werden nächtliche Touren angeboten.
Die Himmelskörper haben es Sheila Crosby angetan. „Schauen Sie, der leuchtende Stern ist Sirius, die drei Punkte rechts weiter oben sind der Gürtel von Orion. Orion ist eine viel größere Konstellation, als man meinen könnte, wenn es ganz dunkel wird, sieht man auch den Schild und das Schwert ganz deutlich.“
Links daneben sehen wir mit Sheilas Hilfe einen rötlichen Stern, er heißt Beteigeuze und gehört zum Orion-Sternbild. „Beteigeuze kann entweder in einer Minute oder in einhundert Millionen Jahren explodieren“, erläutert Sheila. Alle starren gebannt nach oben und warten darauf, Zeugen einer Supernova zu werden. Natürlich vergeblich.
Wir befinden uns auf dem Roque de los Muchachos, dem mit 2.426 Metern höchsten Berg auf La Palma, auf dem sich allabendlich den frischen Windböen zum Trotz ein paar Touristen ein Stelldichein geben, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Seit 24 Jahren lebt die aus Leeds stammende Britin auf La Palma, für viele die schönste Insel der Kanaren, für Sheila sowieso.
Verliebt auch in die Sterne
Astrotouren: buchbar unter astrodelapalma.com
Observatorien: Besuchsmöglichkeiten jeden Tag von 15. Juni bis 15. September. www.iac.es
Infos zur Insel: www.lapalmaturismo.com; www.visitlapalma.es
Wanderwege: La Palma ist die ideale Wanderdestination. www.senderosdelapalma.com
Unterkunft: Ferienhäuser auf La Palma von einheimischen Eigentümern. Die Ferienhäuser befinden sich in ursprünglicher Umgebung. www.la-palma-turismo-rural.de/; Parador de la Palma nicht weit vom Flughafen in Breña Baja, DZ ab ca. 100 Euro, www.parador.es
Literatur: „A breathtaking window on the universe“. Bestellbar unter: http://starisland.co.uk/959/a-breathtaking-window-on-the-universe/;http://dragontree.sheilacrosby.com
Nur wenige Höhenmeter unter dem Gipfel liegt das Astrophysische Observatorium, die größte Sternwarte Europas und der nördlichen Hemisphäre überhaupt. Hier oben im kargen Bergland lernte die gelernte Ingenieurin einst ihren Mann, einen Astrophysiker, kennen. Damals hatte sie einen Job am Isaac-Newton-Teleskop, einem der fünfzehn Teleskope des Observatoriums, wo Physiker aus allen Ländern Europas forschen.
„Ich habe mich in alles gleichzeitig verliebt: in die Sterne, diese Insel, meinen Mann“, sagt sie. Und selbstverständlich blieb sie und machte ihre Leidenschaft für den Nachthimmel zum Beruf. Inzwischen ist Sheila ein Astro-Guide und führt Besuchergruppen auf nächtliche Touren.
Ihr Schlüsselerlebnis hatte sie 1990, als sie Mars, Saturn, Venus und Jupiter gleichzeitig sah, was wenigen Sterblichen vergönnt ist. Inzwischen ist Sheila die offizielle Inselexpertin in Sachen Sterne und hat sogar ein Buch zur Sternwarte veröffentlicht. Der Blick von hier oben ist beeindruckend, unter uns befindet sich ein riesiges Wolkenmeer, die Teleskope ragen wie riesenhafte Champignons aus der surreal anmutenden Landschaft.
Gesetz zum Schutz des Nachthimmels
„Über den Wolken gibt es keine Luftwirbel, daher haben wir hier auf La Palma optimale Bedingungen für die Sternbobachtung“, erklärt Sheila. Im Jahr 1988, nur vier Jahre nach Gründung des Observatoriums, wurde ein Gesetz zum Schutz des Nachthimmels erlassen. Es soll die Lichtverschmutzungen durch Straßenbeleuchtung und Flugzeuge auf ein Minimum reduzieren.
Die Tourismusmanager haben inzwischen erkannt, welche Möglichkeiten diese Branche birgt, das neue Stichwort auf La Palma heißt Astrotourismus. „Wir haben viel mehr zu bieten als nur spektakuläre Wanderwege, Bananenplantagen, Laurisilva-Wälder, verwunschene Dörfer und Drachenbäume“, so Mariano Fernández, der für Sport zuständige Inselminister. Und so öffnet das früher nur Wissenschaftlern vorbehaltene Observatorium mittlerweile seine Pforten für Besucher. Zweimal am Tag gibt es deutsch-, englisch- oder spanischsprachige Führungen, maximal 25 Teilnehmer darf eine Besuchergruppe haben, in Kürze soll sogar ein Visitors Center gebaut werden. Drei Observatorien sind bisher für Touristen zugänglich.
Der Besuch startet bei den Magic-Teleskopen, die die hochenergetische Gammastrahlung messen. Danach gibt es noch ein weiteres Teleskop zur Wahl, am beliebtesten ist das Gran Telescopio Canarias (GTC), kurz Grantecan genannt. Es ist das größte Spiegelteleskop der Welt und ermöglicht die Beobachtung ferner Galaxien. „Der Spiegeldurchmesser beträgt 10,4 Meter und sammelt so viel Licht ein wie vier Millionen menschlicher Augenpaare“, sagt Sheila.
Eine Art Zauber
Das GTC ist auch das Lieblingsteleskop von Sheila, die unablässig den Queens-Song „It’s a kind of magic“ vor sich hin trällert, eine Hommage an Brian May, der 2007 zur Einweihung kam. Der Gitarrist der legendären Rockgruppe kam einst als Astrophysik-Student auf die Kanaren und schrieb hier sogar seine Doktorarbeit.
Beliebt ist auch das Galileo-Teleskop, von Sheila als „italienische Kaffeekanne“ bezeichnet. Von den rund zwölf Planeten außerhalb des Sonnensystems, die bislang entdeckt worden, gehen drei auf das Konto dieses von Italienern geführten Teleskops. „Wenn ein Planet vor der Sonne durchgeht, geht die Helligkeit des Sterns kurz runter, das ist eine der Möglichkeiten, einen neuen Planeten ausfindig zu machen“, sagt Forschungsleiter Emilio Molinari.
Hoffnungen, eine zweite Erde, die für Menschen bewohnbar wäre, zu finden, macht der Wissenschaftler allerdings schnell zunichte. „Die sind alle mehrere tausend Grad heiß. Das sind keine anderen Welten, sondern höchstens andere Höllen“, sagt er und lacht. Man muss freilich nicht unbedingt auf den höchsten Berg der Insel fahren, um Sterne zu gucken. Denn in jeder der 16 Gemeinden von La Palma wurden Aussichtspunkte für den Nachthimmel geschaffen, mit Informationstafeln zu den Gestirnen, die man hier je nach Jahreszeit beobachten kann.
Sheilas Lieblingsstelle heißt Llano del Jable. Der 1.340 Meter hoch gelegene Punkt bietet auch bei Tag eine spektakuläre Aussicht über das Tal. Ein Pfeil zeigt in Richtung Polarstern, darauf steht, wie weit er entfernt ist: 4.077.487.653.167.800 Kilometer, auf der anderen Seite die Entfernung in Lichtjahren: 430, also nicht gerade zum Greifen nah. An die Aussichtspunkte kommen auch gerne Einheimische wie der einstige Tabakfabrikant Manuel Concepción, der uns seine Lebensgeschichte erzählt.
Blick in die Sterne
Seine Familie besaß lange die renommierte Tabakfirma Gloria Palmera, gegründet von seinem Urgroßvater im Jahr 1914. Er war ein „Indiano“, so nennen die Menschen hier diejenigen, die einst in die Kolonien aus Übersee, meist nach Kuba, auswanderten und reich in die Heimat zurückkehrten. Viele davon gründeten Tabakfirmen auf der Insel, weil sie das Knowhow von Kuba mitbrachten, Gloria Palmera ist nur eine davon.
„Ich hatte einst 60 Leute beschäftigt, aber 2001 machte ich die Fabrik zu. Inzwischen erinnert ein Museum in San Pedro nahe der Hauptstadt der Insel an die glorreiche Tabakkultur von La Palma. „Wenn ich in der Lotterie gewinne, pflanze ich noch einmal Tabak an“, sagt Manuel. Dann fügt er scherzhaft hinzu. „Ob es klappt, steht in den Sternen, deshalb bin ich hierher gekommen.“
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