LIEBESERKLÄRUNG: Karstadt
Die lange kriselnde WarenhausKette will zum ersten Mal seit 30 Jahren ein neues Kaufhaus auf- statt zumachen. Endlich!
Schon der Name ist eine Anmaßung. Kein Marktplatz, kein Dorf: eine Stadt in der Stadt.
Karstadt hat mich nie enttäuscht. Geschäfte machten auf und wieder zu, man fuhr durch die halbe Stadt zu diesem einen Spezialladen, um dann zu erfahren, dass dieses eine Produkt gerade ausverkauft sei. Bei Karstadt dagegen gibt es alles. Nicht immer genau das, was man gesucht hat. Vielleicht ist es woanders billiger, vielleicht etwas besser. Aber wo sonst kann man in einem Laden Porzellankleber, Teesieb, Reiseführer und Pullover kaufen? Ja, das war mein letzter Einkauf.
Das Kaufhaus, deutscher geht es nicht: kaum aufgearbeitete Nazivergangenheit, flammender Initiationsritus der RAF, dann, mit dem Ende der alten Bundesrepublik, der langsame Niedergang.
Das Prinzip Ein-Kaufhaus-für-alles, es passte nicht mehr in die Zeit. Vielleicht lag das weniger, als alle behaupteten, am Internet, an Amazon, das ja auch nichts anderes ist als ein digitales Karstadt ist. Vielleicht lag der Niedergang mehr an der heißen Luft zwischen den Doppeltüren, an Schnitzel mit Kartoffeln für 5,90 Euro, an den abgehängten Decken. An dem Muff aus hundert Jahren, der sich in den Umkleiden gesammelt hatte. Vielleicht geht das nicht, Mode zu verkaufen und dabei altmodisch zu sein.
Trotzdem: In deutschen Großstädten, in denen nicht nur die Einwohnerzahlen mittelmäßig sind, stehen im Zentrum keine Kirchen, sondern Kathedralen: Karstadt. Die Plätze davor sehen aus, wie die BRD aussah, und das ist, verglichen mit neuer Architektur, gar nicht so schlecht.
Aber wie das so ist mit nostalgisch verklärten Orten: So schön wie früher wird es nie mehr sein. In die Karstadt-Flure haben sich Werbepsychologen und Berater geschlichen, haben Sale-Schilder aufgestellt und so umgeräumt, dass man nichts mehr findet.
Jetzt eröffnet Karstadt ein neues Haus. Ausgerechnet in Berlin-Tegel, dessen Flughafen ja auch so ein Relikt der alten BRD ist. 2018 soll der neue Karstadt eröffnet werden. Ich werde da sein und Porzellankleber kaufen. Kersten Augustin
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