LESERINNENBRIEFE :
■ betr.: „Philipp darf nicht mit Normalos lernen“, taz vom 6. 6. 09
Weg aus der Sackgasse finden
Es ist doch immer wieder erstaunlich zu lesen, wie furchtbar deutsche Förderschulen sind. Und es ist bedauerlich, dass sich die taz erneut auf eine einseitige und recht polemische Berichterstattung zum Thema „Inklusion von Menschen mit Behinderung“ einlässt. Positiv erwähnt werden außerschulische Freizeitaktivitäten mit nichtbehinderten Schülern, wie Kickern und Basketball. Von etwaigen schulischen Lernfortschritten, resultierend aus einer inklusiven Förderung, ist nicht die Rede. Ebenfalls wird der „Sonderweg“ Behindertenwerkstatt verurteilt – ohne realistische Alternativen für Menschen mit Behinderung auf dem heutigen krisengeschüttelten Arbeitsmarkt zu nennen.
Es ist unbestritten, dass eine inklusive Förderung von SchülerInnen mit einer Behinderung in einer „Schule für alle“ am wünschenswertesten ist. Dieser Meinung schließen sich übrigens auch viele Sonderpädagogen an. Es ist in der gegenwärtigen Diskussion allerdings verführerisch einfach, den Frust über das deutsche Bildungssystem an den Förderschulen auszulassen. Teamteaching, kleine Klassen, ein angemessenes Raumangebot, Gutachtenzeugnisse, Ganztagsunterricht, interdisziplinäres Arbeiten, Therapieangebote – das sind die meist genannten Kriterien für eine „Schule für alle“. Es wird leider oft übersehen, dass der Unterricht an vielen Förderschulen genau unter diesen Rahmenbedingungen stattfindet. Die gegenwärtigen Bedingungen für einen integrativen Unterricht zeigen leider alles andere als einen Weg in die richtige Richtung: Halbherzige Bemühungen im Primarbereich – oft reduziert auf stille Anwesenheit im Klassenraum oder den Einzelunterricht im kleinen Kämmerchen, gepaart mit einem zu geringen Lehrerstundenkontingent für Sonderpädagogen – führen eher in die viel zitierte Sackgasse für lernfrustierte SchülerInnen mit einer Behinderung als der auf die individuellen Lernvoraussetzungen abgestimmte Unterricht an der Förderschule.
Damit soll die Förderschule nicht als Institution für die Ewigkeit gepriesen werden. Die dortigen Förderbedingungen und pädagogischen Grundsätze sowie deren Umsetzung weisen jedoch den Weg in ein inklusives Bildungssystem. Eine Investition in eine solche Förderung ist kostspielig, langwierig und personell sowie räumlich extrem aufwendig. Aber der Gedanke an eine gute und fundierte inklusive Bildung sollte es uns wert sein, nicht vorschnell zu urteilen, sondern mit allen Beteiligten einen wohlüberlegten Weg aus der Sackgasse zu finden. PETER SCHÜTTERLE, Köln
■ betr.: „Mehr Geld statt mehr Pausen“, taz vom 8. 6. 09
Kritik am falschen Gegner
Meines Wissens geht es – entgegen dem Kommentar – auch um bessere Bezahlung. Aber es geht eben auch um mehr: Pausen und Gesundheitsschutz dienen auch der Anerkennung des harten Berufsalltags von Erzieher/innen. Im altbackenen Weltbild muss sich selbst Mutti mal hinlegen dürfen, aber Erzieher/innen sollen am besten in ihrer Mittagspause noch auf 25 lustig essende Kinder aufpassen. Und eine tarifvertraglich geregelte Vorbereitungszeit ist kein Formalkram, sondern der erste Schritt zur Anerkennung des höheren Anspruchs an den Bildungsauftrag der Erzieher/innen. Also: Richtiger Ansatz, aber Kritik am falschen Gegner. Die Bildungs- und Finanzpolitiker verweigern angemessene Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Dagegen wehren sich die Erzieher/innen und brauchen die Unterstützung der Eltern und der bildungspolitisch fortschrittlichen Öffentlichkeit. MARTIN LUTZE, Berlin
■ betr.: „Gier ist nicht das Problem“, tazzwei vom 8. 6. 09
Danke, Herr Homann
Endlich wurde ich von meinem Argumentationsniveau aus der Vormoderne erlöst. Natürlich verdient die Mangelware Topmanager nur wegen der marktwirtschaftlichen Lenkungsfunktion so astronomische Gehälter. Nicht auszudenken, wo Arcandor & Co. ohne dieses hoch qualifizierte Personal heute stünden. Und selbstverständlich bedeutete nur im statischen System des Mittelalters der Gewinn des einen den Verlust des anderen, auch wenn laut Herrn Homann unser ökonomisches System heute fordert, man solle Profit machen, auch wenn der Nachbar dadurch bankrott geht. Aber schließlich partizipiert dieser als zukünftiger Hartz-IVler dann an der Gesundheitsversorgung, Strom und fließendem Wasser als allein dem Kapitalismus zuzuschreibenden Errungenschaften. MICHAEL SCHWARTZ, Essen
■ betr.: „Bündnisgrüne sehen Schwarz“ von Ralph Bollmann,taz vom 10. 6. 09
Schwarz-Grün ist eine Option
Natürlich ist Schwarz-Grün eine Option, die nicht ignoriert werden kann. Gerade Hamburg zeigt, dass ordentliche grüne Politik in einer Koalition mit der CDU möglich ist. Die Entscheidung gegen Jamaika ist richtig. Als Juniorpartner in einer schwarz-grünen Koalition wären aber die Möglichkeiten, das Land in Richtung ökologischer Umbau zu bewegen, nicht unerheblich. Die kohlefreundliche Politik der großen Koalition hätte auch ihr Ende.
JOEL SIMPSON, Hamburg