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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Nicht zu übersehender Rassismus

■ betr.: „Der milde Populist“, taz vom 22. 5. 12

Der einzige Punkt, in dem ich mit Ihrem Autor Herrn Brumlik übereinstimme, ist, dass Sarrazins neues Buch kein Skandal ist. Allerdings nur, weil seine rechtspopulistischen und teilweise rassistischen Gedankengänge nichts Neues mehr sind, und ein Skandal beinhaltet immer etwas Neues oder Überraschendes.

Obwohl Herr Brumlik selbst zu der Erkenntnis gelangt, dass Sarrazin Vorurteile hat und nationalistisch denkt, behauptet er zum Schluss, das Buch sei die zurzeit solideste Begründung einer euroskeptischen Agenda und eine ernsthafte Auseinandersetzung damit sei unerlässlich. Jetzt frage ich mich: Wie kann ein Buch, in dem behauptet wird, einem deutschen Kapitän könne ein Unfall wie mit der Costa Concordia nicht passieren, eine solide Begründung für irgendwas sein?

Schon durch das Lesen der Rezension ist für mich deutlich, dass Sarrazins Buch wieder voll ist mit rassistischem Gedankengut, auch wenn er es diesmal besser versteckt als in seinem letzten Werk. Aber genau deshalb ist es vielleicht noch gefährlicher! Es mag sein, dass seine ökonomischen Analysen teilweise zutreffen, aber was nützt das, wenn er am Ende schlussfolgert, dass Staaten, die nicht zu „rationalem Wirtschaften“ in der Lage seien, aus der Währungsunion austreten sollen? Sein Gedanke dahinter ist, dass bestimmte Völker über „Mentalitäten“ und „Traditionen“ verfügen, die ihnen vernünftige Wirtschaftspolitik unmöglich machen. Spätestens an diesem Punkt dürfte der Rassismus des Autors für niemanden mehr zu übersehen sein. LOTTE BLUMBERG, Berlin

PDS mit Westkontakt

■ betr.: „Lafontaine geht schon wieder“, taz vom 23. 5. 12

Eine große Chance wurde vertan! Nun geht es mit der Linken noch mehr bergab. Den Anspruch als gesamtdeutsche Partei hat man damit leichtfertig aufgegeben und den Neoliberalen kräftig in die Hände gespielt. Nun wird die Linke das, was sie vorher schon war: Eine PDS mit Westkontakten. Im Westen wird sie nur noch eine traurige Splittergruppe sein. Und die SPD im Osten braucht die linken „Reformer“ einfach nicht, da sie mit der CDU koalieren kann. Da hilft auch kein Kuschelkurs und kein Anbiedern.

Wäre Lafontaine bei seiner Kandidatur geblieben, hätte man ihm wieder einmal Arroganz vorgeworfen. Geht er, um zu befrieden, scheut er angeblich die Verantwortung. Das Urteil steht immer schon vorher fest! FRANZ SCHART, Gelsenkirchen

Grundrechte? Nicht für Fußballfans

■ betr.: „Todesangst und Nackenschlag“, taz vom 18. 5. 12

Egal, welches Medium man momentan einschaltet – es fliegt einem förmlich um die Ohren. Es gebe wieder eine neue Gewaltdimension im deutschen Fußball. Die Zustände in den Stadien seien unhaltbar. Die breite Masse geilt sich an Vorkommnissen wie in Düsseldorf, Karlsruhe oder Köln auf und ist nur allzu empfänglich für repressive Forderungen seitens der Funktionäre. Dass diese dabei alles kräftig durcheinanderwürfeln, spielt keine Rolle. Stets wird von Gewalttaten im Stadion gesprochen. Ein Klima, in dem sich eine Familie nicht mehr ins Stadion trauen würde.

Wo bitte gab es denn Gewalt in deutschen Stadien? Dass beim Relegationsspiel in Düsseldorf Fackeln auf das Feld geworfen wurden, war falsch und gefährlich. Jetzt aber wieder das Abbrennen von Pyrotechnik als Beleg dafür zu nehmen, dass die Zustände in deutschen Stadien eskalieren, ist lächerlich und fadenscheinig. In der gesamten Saison wurde von verschiedenen Ultrasgruppen ein verantwortliches Abbrennen von Pyrotechnik gezeigt, um die Stimmung noch ein wenig mehr zum Überkochen zu bringen. Aber hatte der DFB nicht auf heuchlerische Weise die Legalisierungsgespräche für Pyrotechnik abgebrochen und dabei offenkundig gelogen? Sorgt die Polizei durch überzogene Einsätze und Kollektivstrafen nicht dafür, dass aufseiten der Fans ein Feindbild entsteht?

Fragen Sie mal die Leute, die aus nächster Nähe Pfefferspray in die Augen bekommen. Ein Distanzmittel in einem Fanblock, in dem de facto nicht die Möglichkeit gegeben ist, auf Distanz zu gehen. Fragen Sie einmal die Leute, die Stadtverbote erhalten. Bestes Beispiel die Stadionverbotler von Hertha BSC, die lediglich mit ihren Freunden zum Auswärtsspiel fuhren und, ohne eine Straftat begangen zu haben, von der Polizei ein Stadtverbot für Gelsenkirchen erhielten. Grundrechte? Nicht für Fußballfans. Die Kriminalisierung und Kollektivstrafen vonseiten der Polizei und des DFB sind einfach nervtötend. Und dennoch! Uns kriegt ihr niemals tot!

Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt

Schon Plato …

■ betr.: „Euro, Geuro und Grexit-Szenario“, taz vom 23. 5. 12

In dem Bericht fehlt eine Alternative für Griechenland, und das ist ein umlaufgesichertes Regionalgeld als Parallelwährung zum Euro. Bei der Alternative des Greco gewännen wieder nur ausländische Banken, Produzenten und Dienstleister, beim Regiogeld die griechische Bevölkerung und Wirtschaft. Dieses Geld könnte Griechenland dann auch Drachme nennen.

Schon Plato hat für zwei zweckgerichtete Währungen plädiert, eben ein regionales und ein überregionales Geld. Leider wird die kurze zur Verfügung stehende Zeit wohl nicht ausreichen, um in Griechenland eine Diskussion darüber zu entfachen. Die Bankenlobbys und die Mehrzahl der sogenannten Finanz- und Währungsfachleute tun ihr Übriges, um so eine Diskussion erst gar nicht entstehen zu lassen.

MARTIN BROLL, Wuppertal