LESERINNENBRIEFE
:

Gebraucht wird eine Bahn für alle

■ betr.: „Bahn ist sicherstes Verkehrsmittel“, taz vom 12. 12. 12

„Bahn ist sicherstes Verkehrsmittel“, so das Ergebnis einer Studie der „Allianz pro Schiene“. Man sollte meinen, jetzt setze die Politik alles daran, mehr Menschen und Güter auf die Schiene zu bringen, um die Sicherheit der Bürger weiter zu steigern. Aber weit gefehlt:

Seit 1994, als die DB AG als Nachfolgerin der Deutschen Bahn antrat, und 2005 wurden 5.700 km Bahnstrecken stillgelegt und 500 Bahnhöfe geschlossen. Die Instandhaltung des Schienennetzes ist mangelhaft und der Zustand vieler Bahnhöfe erbärmlich. Personal und Service werden abgebaut. Dafür steigen die Preise regelmäßig über die allgemeine Preissteigerung hinaus. Die Folge: Viele können sich das sichere Verkehrsmittel Bahn nicht mehr leisten. Der Markt für Mitfahrgelegenheiten blüht, das Unfallrisiko steigt. Ab Januar kommen die Fernbuslinien hinzu, deren Tickets billiger sind als die der Bahn. Allerdings mit den gleichen Nachteilen wie beim Auto: Stau und ungewisse Ankunftszeit, von der Umwelt ganz zu schweigen.

Wir entwickeln uns auch in puncto Mobilität auf eine Zweiklassengesellschaft zu: Sicherheit wird zu einer Frage des Geldbeutels. Wer nicht zahlen kann, muss mehr Risiko tragen. Statt einer gewinnorientierten DB Aktiengesellschaft brauchen wir eine Bahn für alle: bezahlbar, umweltfreundlich und familien- und behindertengerecht. SUSANNE GLAUBITZ, Freiburg

Es geht um SchülerInnen

■ betr.: „Leistung lohnt sich nicht“, onlinetaz vom 11. 12. 12, „Leistung lohnt sich – aber nicht für alle“, printtaz 12. 12. 12

Erst dachte ich, es geht um das Thema Banken, wo sich Leistung wirklich nicht lohnt, man muss nur groß und unverschämt genug sein, um selbst bei katastrophalen Fehlleistungen noch auf Kosten der Steuerzahler saniert und mit Abfindungen in gebührender Höhe wohin auch immer geschickt zu werden. Nein, es geht um Schüler.

Kann mir Herr Kramer einmal erläutern, wo sich schulische Leistung nicht lohnen soll. Ich spreche nicht von Noten, die nur bedingt Leistungen widerspiegeln. Wenn ein Schüler einigermaßen lesen, schreiben und rechnen kann, dann wird die Empfehlung ausgesprochen, auf ein Gymnasium zu gehen. Es gibt Eltern, und ich habe sie erlebt, die unbedingt ihre vorerst ungeeigneten Kinder auf ein Gymnasium schicken wollen. Da sie sich mit den Mechanismen der Menschenbeeinflussung – Schmeicheleien, subtile Verunsicherung, juristische und schulrechtliche Finessen – auskennen und in jeder Beurteilung eines Menschen subjektive Faktoren eine Rolle spielen, kommt natürlich ein Jurist oder eine Journalistin mit ihrem Anliegen eher ans Ziel. Die meisten Grundschullehrerinnen sind – glücklicherweise – nicht so abgebrüht wie diese Eltern, die ihnen da gegenübersitzen.

Ist das Facharbeiterkind bildungsnah, d. h. es liest, es ist interessiert, ist im Verein, spielt ein Instrument, treibt Sport, konsumiert recht wenig Zeit am PC, Handy usw. und kann noch munter das kleine Einmaleins, dann hat es die gleichen Möglichkeiten wie andere Kinder. Ich bitte Herrn Kramer und all die anderen Bildungsexperten, doch bitte gründlicher die Arbeiten von z. B. Manfred Spitzer und anderen ernsthaften Forschern zu studieren. Welche ökonomischen Faktoren bringen die „Bildungsverlierer“ dazu, ihr Leben und das ihrer Kinder vor dem Fernseher, der Playstation, auf Facebook usw. zu verbringen, sich von einer massenmedialen Walze an Werbung, popkulturellem Unsinn usw. usf. verblöden zu lassen. Warum liest kein Mensch der Unterschicht, der Neubürger die taz? Man findet in ihr gelegentlich großartige Recherchen und Kommentare. Aber so simpel ist die Welt nicht, wie Sie sie uns darlegen wollen. KLAUS TIMMERBEIL, Hilden

Ein reines Machtspiel

■ betr.: „Milliarden-Grube Stuttgart 21“ u. a., taz vom 13. 12. 12

Ein Verkehrsprojekt war Stuttgart 21 nicht und wird es nie sein. Vielmehr geht es um ein semimafiöses, also ein rein politisches Prestigeprojekt. Und deshalb geht es in der Auseinandersetzung um das bodenlose Milliardenprojekt auch nicht wirklich um Argumente, vielmehr ist sie zu einem reinen Machtspiel verkommen. Denn Investitionssicherheit und das Vertrauen „der Märkte“ ist Frau Merkel ja ohnehin wichtiger als das Vertrauen der Bürger. Und weil politische Entscheider und deren Umfeld nie wirklich eigene Konsequenzen zu fürchten haben, wird „die Sache eben durchgezogen“, wie Grube so treffsicher formuliert. Koste es, was es wolle. Und vor dem Hintergrund der jährlichen Preiserhöhungen der Bahn wirkt Kefers Behauptung, die S-21-Kostenexplosion habe natürlich keinen Einfluss auf die Beförderungspreise der Bahn, nur noch wie eine an Chuzpe nicht zu überbietende Volksverdummung.

KLAUS-ULRICH BLUMENSTOCK, Stuttgart