LESERINNENBRIEFE :
Lila-Weiß und der Muttertag
■ betr.: „Der sonntaz-Streit: Hat Mutti das verdient?“, taz v. 4. 5. 13
Was hat die lila-weiß gescheckte „für-dumm-verkauf-mich“-Kuh (Beitrag von Merle Meier-Holsten) mit dem Muttertag zu tun? Leute, Leute! Da setzt ihr Himmel und Hölle in Bewegung, um auch noch das kleinste Sponsorenlogo auf Fotos in der Rubrik Leibesübungen zu verpixeln, und dann so was. Macht es entweder ganz, oder lasst es bleiben. Es könnte sonst wirklich lächerlich wirken.
CARSTEN WILL, Birtlingen
Abhängig vom Finanzkapital
■ betr.: „Die Löhne müssen steigen“, taz vom 7. 5. 13
Verteilung ist immer redistributiv: erst wird uns alles genommen, dann wird verteilt, was zur Bereithaltung der Arbeitskraft für notwendig gehalten wird: Löhne und Gehälter (abzüglich Steuern und Sozialabgaben), „Sozialleistungen“ wie Kindergeld, Wohngeld, Bafög, Erziehungsgeld, Renten, Hartz IV, die frühere Eigenheimzulage und andere Subventionen. Davon gehen dann wieder Konsumsteuern und andere Abgaben ab. Zurück bleibt real wenig. Wie viel das ist und wie es zwischen den so Beglückten verteilt ist, hängt auch von Kräfteverhältnissen ab. Die Zerstückelung und das Hin und Her dient der Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse.
Vom Geraubten werden auch die sog. öffentlichen Güter und die gesamte Infrastruktur bezahlt (einschließlich Schulen, Krankenhäuser …), die zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendig sind. In anderen Gesellschaftsmodellen (FDP!) müsste deren Nutzung allesamt privat bezahlt werden – transparenter wäre das.
Und bezahlt wird auch die öffentlich bereitgestellte Infrastruktur, die zur gesamten Produktion nötig ist (auch die könnte in einem anderen Gesellschaftsmodell transparenter von den Nutzenden bezahlt werden).
Forderungen nach einer „gerechteren“ „Aufteilung der Wertschöpfung zwischen Kapital und Arbeit“ sind demnach Augenwischerei – reale Verteilung zeigt sich am Ende im realen Leben. Die „Krankheit“ Kapitalismus wird von Ernst Hillebrand nicht angerührt, sondern er will sie am Tropf eines „stabilen Wachstumspfads“ und „Ankurbelung der Binnennachfrage“ am mörderischen Leben halten.
Tatsächlich: bleibt es, wie es ist, sägt sich das (produktive) Kapital alle Äste selbst ab, auf denen es sitzt. Und macht sich und den Staat durch Überschuldung vollends abhängig vom Finanzkapital. Das wird sich auch nicht lange halten können. Eine schöne Perspektive könnte das sein, wenn sie nicht so viel Menschen mit in den Untergang reißen würden. Aber ein realistischer Ausweg bietet sich nicht. Lieber ein Ende mit Schrecken als dieser Schrecken ohne Ende. Oder: Per aspera ad astra. NORBERT HERMANN, Bochum
Wer jetzt nicht aufwacht
■ betr.: „Mein Vater hat Tote einkalkuliert“, taz vom 8. 5. 13
Dank an Ambros Waibel, Andreas Kramer und die taz, dass ihr diesen aufschlussreichen Artikel gerade jetzt und in dieser schlicht informierenden Form veröffentlicht habt. Es bleibt den LeserInnen überlassen, mögliche Vergleiche/Rückschlüsse auf die Rolle unserer Obrigkeiten bei jüngeren Ereignissen zu ziehen (NSU, Boston …). Wer jetzt nicht aufwacht, will nicht! SABINE MIEHE, Marburg
Was für ein Unsinn!
■ betr.: „Die Scheu vor schweren Psycho-Fällen“, taz vom 8. 5. 13
Die Ersatzkassen beklagen also, dass die Psychotherapeuten zu viele „leichte Fälle“ behandeln? Was für ein Unsinn! Als Psychotherapeut bekomme ich sehr oft ärztliche Überweisungen, auf denen auch dann „schwere Diagnosen“ als „gesicherte Diagnosen“ genannt werden, wenn die Patienten „nur“ unter einer einfachen Phobie leiden. Ärzte und Krankenhäuser stellen „schwere Diagnosen“, weil sie es nicht besser wissen oder weil sie dann besser bezahlt werden. Für Therapeuten ist die Diagnosestellung schon der erste Behandlungsschritt. Vielleicht neigen sie daher bisweilen auch zur Normalisierung und im Zweifel eher zur leichteren Diagnose.
Therapeuten „scheuen“ also den „zeitlichen und finanziellen Aufwand einer Weiterqualifizierung“? Meine traumatherapeutische Zusatzausbildung hat mich – wie viele andere KollegInnen auch – mehrere tausend Euro gekostet. Ohne dafür von den Kassen auch nur einen Cent mehr für die Behandlung traumatisierter Patienten zu bekommen. Die Therapeuten sollen mehr und zunächst die schwierigsten Patienten (notfallähnlich) behandeln, um so den Druck aus dem System zu nehmen. Sie sollen dafür herhalten, dass die Kassen noch weniger zahlen und ihre Gewinne noch weiter maximieren können. Und das sollen sie tun, obwohl die Therapeuten bereits seit Jahren keine Honorarerhöhung mehr bekommen haben. Erste Zahlen sprechen dafür, dass die Psychotherapeutenhonorare 2013 ein weiteres Mal gekürzt werden. So ist aktuell im Gespräch, dass ein Berliner Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut für eine Stunde Krisenintervention rückwirkend ab Januar 2013 nur noch 10,16 Euro brutto bekommt – hiervon sind sämtliche Praxiskosten, Versicherungen, Altersvorsorge und Steuern zu zahlen. Stellen sich die Kassen so die psychotherapeutische Versorgung schwer erkrankter Versicherter vor? Aber auch hiervon lässt sich mit dem aktuellen Kassen-Papier trefflich ablenken. Das Perfide ist, dass die Krankenkassen an einer Stelle, wo es ums eigene Versagen und ums (nicht eigene, da aus Versichertenbeiträgen stammende) Geld geht – dass sie an dieser Stelle das Leiden der Versicherten argumentativ einspannen und Patienten instrumentalisieren.
KLAUS SCHMIDT-BUCHER, Wenden