LESERINNENBRIEFE :
Mehr Rassismus geht nicht
■ betr.: „Kindersoldaten. Im Herzen der echten Finsternis“, sonntaz vom 14. 8. 10
So grausam die Lord’s Resistance Army (LRA) auch ist, sie mit der Kultur und Uganda gleichzusetzen, wie das in der Besprechung des Buches „Wanderer der Nacht“ geschieht, ist schlicht falsch. In der Tendenz der Aussage, nämlich dass dieser Teil Afrikas nicht zu verstehen ist und das „Herz der Finsternis“ darstellt, ist er einfach rassistisch.
Ich habe als Kinderpsychiater Kinder und Jugendliche untersucht, die der LRA wieder entfliehen konnten: Das Beeindruckendste war, wie die ugandische Gesellschaft diese Kinder wieder aufgenommen hat und wie wenige bleibende psychische Störungen wir diagnostizieren konnten. Die ugandische Gesellschaft hat sich erstaunlicherweise trotz aller Gräuel der nachkolonialen Diktaturen einen erstaunlichen Zusammenhalt bewahrt. Dies zeigt sich auch darin, dass der Ausdruck an öffentlicher Verwahrlosung (Straßenkinder, Kriminalität etc.) in Uganda weitaus geringer ist als in West- oder Südafrika, gar nicht zu reden von Lateinamerika.
Das Auftreten und das Überleben der LRA auf die Entwicklung der ugandischen Gesellschaft zu beziehen ist einfach falsch: Es ist schlicht unser Desinteresse an Afrika, das diese Desperados am Leben hält. Erst nach ein bisschen westlicher Aufmerksamkeit ist die ugandische Armee seit 2004 gegen die LRA vorgegangen. Deshalb gibt es auch seit 2006 nicht mehr die Nachtwanderer in Gulu! Aber die LRA konnte sich in den Osten Kongos zurückziehen, wo man die Menschen allein mit ihnen lässt, da gibt es keine Armee, keine Polizei und keine UN-Truppen – alle drei Monate mal einen Artikel in der taz, dass die LRA hunderte von Kindern entführt hat. Die Menschen dort alleinzulassen (wo hat es jemals eine Demo für ein internationales Vorgehen gegen die LRA gegeben?) und ihnen dann vorzuwerfen, die Grausamkeit komme aus ihrem Herzen, mehr Rassismus geht nun wirklich nicht! KLAUS-DIETER GROTHE, Gießen
Väterrecht schmälert Kinderschutz
■ betr.: „Vergröberung im Zorn“, Leserbrief von Franz Pörschke, taz vom 12. 8. 10
Selbstverständlich geht es im „Neuen Sorgerecht für Väter“ darum, dass der ledige Vater gegen den Willen der Mutter seinen Anteil am Sorgerecht einklagen kann. Es wäre nicht falsch, hier Gleichberechtigung walten zu lassen, wenn das Ganze im Hinblick auf das Kindeswohl funktionieren würde. Warum aber, wenn das alles doch so positiv ist, „feiern“ hauptsächlich Vertreter der Väterbewegung „ihre neuen Rechte“ und nicht z. B. Kinderschutzverbände und Frauenhäuser, die parteilich für Kinder- und Frauenrechte arbeiten? Weil diese Berufsgruppen ahnen, welche Väter um jeden Preis auf dem Rücken der Kinder klagen werden. Wenn, wie im Leserbrief betont, Kinder tatsächlich immer nur im partnerschaftlichen Konsens gezeugt würden und – ich erweitere – dieser über die Zeugung hinaus zum Wohl der Kinder weiterbestehen würde, wäre ja alles gut. Dann bräuchten die Väter aber auch kein Klagerecht! Denn dann hätten sie sich mit der Mutter des Kindes geeinigt.
Wenn sich nun aber eine ledige Mutter weigert, dem Vater das Sorgerecht zuzugestehen, muss sie sich kurz nach der Entbindung vor Gericht wehren. In einer Situation, in der ihr Körper die Umstellung noch verarbeitet und sie sich auf die neue Situation körperlich und seelisch einstellen und ggf. schlaflose Nächte verkraften muss. Sie hat aber vielleicht gute Gründe für ihre Verweigerung, z. B., weil sie festgestellt hat, dass der Mann gewalttätig ist und sie sich und das Kind vor ihm schützen muss, oder weil er durch Abwesenheit glänzt oder weil er bestimmen, aber keine Pflichten auf sich nehmen will. Nur ein kleiner Teil der Mütter wird vielleicht aus Enttäuschung über die Trennung ablehnen. Die meisten Frauen wollen einen Vater für ihr Kind – wenn es möglich ist. Das neue Sorgerecht für ledige Väter wird den Kinderschutz und die Kinderrechte eher schmälern als fördern, davon bin ich überzeugt. BEATE SCHÄDLER,
Mitarbeiterin im Frauenhaus Neuruppin
Resultate lassen sich umdeuten
■ betr.: „Die Gefahr wird extrem überschätzt“, taz vom 9. 8. 10
Egal wie man zur Sicherungsverwahrung steht, lassen sich die Resultate von Prof. Feltes für die eigenen Zwecke umdeuten. Dass von den Tätern, bei denen eine Sicherungsverwahrung vom Gericht abgelehnt wurde, 90 Prozent nicht rückfällig wurden, kann nämlich entweder, wie Prof. Feltes das tut, so gedeutet werden, dass auch von den übrigen Tätern ebenfalls 90 Prozent nicht rückfällig würden, wenn man sie freiließe. Man könnte aber auch das genaue Gegenteil daraus folgern, nämlich dass die Gerichte in 90 Prozent dieser Fälle richtig entschieden haben und dass sie das auch bei 90 Prozent der Fälle tun, in denen eine Sicherheitsverwahrung angeordnet wurde. Durch den Schindluder, der hier mit der Statistik getrieben wird, wird die entscheidende Sache übersehen: nämlich dass die Zahlen und die Methoden der Statistik derart pauschale Aussagen über eine sehr kleine Gruppe schlicht und ergreifend nicht hergeben.
BENJAMIN KETTNER, Berlin