LESERINNENBRIEFE :
Puritanismus grüßt
■ betr.: „Muss man das verbieten?“ u. a., taz vom 19. 2. 14
Die Edathy-Debatte erinnert mich an die Aids-Hysterie der 80er Jahre: In den Schulen wurde über Sexualität geredet, als sei sie vor allem gefährlich, die Lust war tabu. Viktorianismus! Ähnlich schüttet man heute das Kind (!) mit dem Bade aus. Als ehemalige Lehrerin, Heterofrau und Mutter habe ich mich bisher gefreut über Kinder, die sich beim Sport oder am Wasser unbefangen umkleideten und ihre Nacktheit für etwas Selbstverständliches hielten – auch im Hinblick auf ihre spätere Einstellung zu ihrem Körper und zur Sexualität. Soll all das in Zukunft kriminalisiert werden? Der Puritanismus lässt grüßen! Name ist der Redaktion bekannt
Warum das nicht verbieten?
■ betr.: „Problematische Trennungslinie“ u. a., taz vom 19. 2. 14
Da ist mir wirklich schlecht geworden bei der Lektüre Ihres Kommentars. Auch wenn nackte Kinder vor den Blicken Erwachsener abgeschirmt werden (wie das in vielen Kulturen der Welt durchaus üblich ist), ist es durchaus möglich, eine Sexualität zu entwickeln und ein „natürliches“ (was ist das?) Verhältnis zum Körper zu entwickeln. Es gibt keine Studien, die Ihre Ängste bestätigen. Im Gegenteil gibt es Hinweise darauf, dass die zu „libertinäre“ Haltung zur Nacktheit von Kindern in der Öffentlichkeit später zu dem Gefühl führen kann, dass dies ein bisschen zu viel des Guten war und eher schadete.
Und warum halbnackte Kinder auf eurer Titelseite und die polemische Frage „Muss man das verbieten?“ Was verbieten? Das Baden am See? Es geht bei keinem der Politiker, die sich dankenswerterweise Gedanken um eine Verschärfung des Handels mit Fotos nackter Kinder machen, um die Frage, ob Erzieher und oder Eltern ihre Kinder nackt fotografieren dürfen. Natürlich dürfen sie das. Aber sollten sie Nacktfotos auch auf Facebook stellen dürfen? Ist das im Sinne des Kinderwohls? Aber vor allem behandeln Sie nicht die entscheidende Frage: Warum sollte jemand Fotos nackter Kinder über Kontinente hinweg kaufen oder verkaufen? Aus welchem Grund sollte das ein reifer und erwachsener Mensch auf den Laptop laden und sich anschauen, teilweise tausende davon? Mir fällt nur ein einziger Grund ein: Weil er ein vorsichtiger Pädophiler ist, der sich daran aufgeilt, darum. Und warum das nicht verbieten? STEFAN GNATZY, Berlin
Das Recht aufs eigene Bild
■ betr.: „Problematische Trennungslinie“, taz vom 19. 2. 14
Der heutige Leitartikel hat mich ziemlich entsetzt. Kinder sind nicht „umzingelt von Hysterie, Verboten und Prüderie“, selbst wenn es verboten wäre, ihre Nacktfotos im Internet rumzuschicken. Sie sind eigenständige Persönlichkeiten mit einer eigenen Menschenwürde. Was würde die Autorin sagen, wenn Bilder von ihr im Internet kursieren würden – und sei es auch nur in der Verwandtschaft. Warum andere Maßstäbe an Kinder anlegen? In dem freien Kindergarten, in den unsere Kinder gingen, war es verpönt, sie überhaupt ohne ihre ausdrückliche Einwilligung zu fotografieren,eine bedenkenswerte Haltung finde ich. SABINE JUST-HÖPFINGER, Karlsruhe
Verletzliche Integrität
■ betr.: „Muss man das verbieten?“, taz vom 19. 2. 14
Wenn man die Kinder, die heute auf dem Titelfoto der taz abgebildet sind, fragen würde, ob sie es gut finden, dass zigtausend fremde Erwachsene im Zusammenhang mit der Debatte um Kinderpornografie auf ihren nackten Hintern schauen, würden sie mit Sicherheit sagen: Nein! Die Nacktheit von Kindern muss von denen, die wissen, was der Anblick eines nackten Kinderpos bei manchen Menschen auslöst, geschützt werden. Gerade weil sie selber das noch nicht richtig einschätzen können und ihre Integrität viel verletzlicher ist als die von Erwachsenen, gehören solche Bilder dreimal nicht in die Öffentlichkeit. ULRIKE MAIER, Karlsruhe
Unproblematische Trennungslinie
■ betr.: „Problematische Trennungslinie“, taz vom 19. 2. 14
Wer sich von Aussagen von Politikern unbedingt provoziert fühlen will, der wird sicherlich niemals enttäuscht. Simone Schmollacks Kommentar ist inhaltlich leider eben so überflüssig, wie die (wenn sie überhaupt jemals vorhanden wären) angedichteten „Irritationen“ von ErzieherInnen. Seriöse Kinderbetreuer wissen auch ohne Gesetze, dass Nacktfotos oder potenziell als sogenannte „Posing-Fotos“ gelten könnende Bilder von den ihnen anvertrauten Kindern grundsätzlich unangebracht sind! Wäre interessant zu wissen, ob Frau Schmollack Eltern dazu befragt hat und ob auch nur einer von denen derartige von Fremden gemachte Fotos (egal in welchem Kontext) als okay empfinden würde. Es gibt dafür einfach keinen nachvollziehbaren Anlass, und als Vater kriege ich einen dicken Hals, wenn eine derartige Option akzeptiert oder deren offizielles Verbot zwanghaft kritisch in Frage gestellt wird.
Dazu noch das Titelbild und die undurchdachte polemische Headline „Muss man das verbieten?“. Falls das eine rhetorische Frage war, hier dennoch die Antwort: Wenn es von Fremden gemacht wurde, selbstverständlich! Wenn es von Eltern gemacht und veröffentlicht wurde, auch! Lasst es doch die Kinder entscheiden, wenn sie die Eigenwirkung und Folgen selbst einschätzen können. Mit welcher Intention stellt jemand in Frage, dass das Recht am eigenen Bild und auf Schutz der Würde nicht schätzenswert und auch rechtlich schützenswert wäre? Was ist mit der taz los? MASEN ABOU-DAKN, Berlin