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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Stark und mächtig sein

■ betr.: „Zeiten ändern dich“, taz vom 12. 11. 10, „Haut den Feminismus“, taz vom 13. 11. 10

Damals in den 70er Jahren war ich der Ansicht, die ganzen Auseinandersetzungen um Emanzipation und Frauenrechte gingen mich nichts an, unterdrückt seien vielleicht die anderen, aber nicht ich. Als linke Aktivistin und aktive Gewerkschafterin in Berlin fühlte ich mich in meinen Kreisen voll anerkannt. Auch im Beruf gab es keine für mich wahrnehmbare Diskriminierung. Das änderte sich. Mir wurde klar, dass mein Überlegenheitsgefühl aus einem bekannten Abwehrmechanismus herrührte. Ich wollte zu den Starken und Mächtigen gehören, und lernte im Laufe der Zeit, dass die objektiven gesellschaftlichen Verhältnisse mich ganz woanders verorteten.

Den Mut jedoch, mich in die Bütt zu begeben und für Veränderungen zu streiten, hatte ich nicht. Was ich am meisten fürchtete, waren dabei nicht harte Argumente – da würde ich mich zumindest als Mensch ernst genommen fühlen –, sondern die ironisierend-herablassende Reaktion mancher Männer, so nach dem Motto: „Ach ja, ihr Armen!“ Ich hatte einfach keine Lust, immer wieder um jeden Krümel der Geschlechtergleichstellung betteln zu müssen und mich dabei in meiner Substanz als Frau verletzen zu lassen. Vielleicht geht es manchen jüngeren Frauen bei ihrer Ablehnung des „Feminismus alter Schule“ – mit den üblichen Seitenhieben auf Alice Schwarzer – eigentlich genau darum: Der Kampf um Geschlechtergerechtigkeit bedeutet immer auch ein Eingeständnis der nach wie vor unterlegenen gesellschaftlichen Position von Frauen – und wer findet das schon sexy? BRIGITTE REINHARDT, Bad Honnef

Faschismus war folgenreich

■ betr.: „Zeiten ändern dich“, taz vom 12. 11. 10

Ralf Bönt deutet an, man müsse den Antifaschismus, die Friedens- und Antiatombewegung, die Schwulen- und Lesbenbewegung weglassen, damit der Feminismus die folgenreichste soziale Bewegung des 20. Jahrhunderts sei. Zu Erinnerung: Der vollständigen rechtlichen Gleichberechtigung der Frauen würde heute niemand mehr widersprechen. Den Erfolg der Friedensbewegung kann man jeden Tag in Afghanistan und anderswo beobachten, der Erfolg der Antiatombewegung wurde eben um zwölf Jahre vertagt, die Schwulen- und Lesbenbewegung mag wichtig sein, aber erstens ist sie noch keineswegs so weit wie die Frauenbewegung, und zweitens ist sie schon allein deswegen weniger folgenreich, weil es weniger Schwule und Lesben gibt als Frauen. Und ausgerechnet den Antifaschismus zur folgenreichsten sozialen Bewegung des 20. Jahrhunderts zu erklären, ist nun restlos zynisch. Meinetwegen kann man darüber diskutieren, ob der Faschismus folgenreicher war als der Feminismus, der Antifaschismus war es zumindest nicht. ANTON FLÜGGE, London

Zumutung für Kinder

■ betr.: „Todsünden in der Butterbrotdose“, taz vom 13. 11. 10

Was kann man denn eigentlich als Pausenbrot mitgeben? Um sieben Uhr wird es gemacht und soll um halb zwölf noch genießbar sein. Es kann nicht aufgewärmt werden. Es muss im Stehen ohne Tisch draußen gegessen werden. Es soll dem Kind einigermaßen schmecken. Die zitierte Liste – wenn sie tatsächlich so vorgelegen hat – ist der Gipfel. Die Zumutung beginnt aber schon damit, dass die Kinder innerhalb von zweimal fünfzehn Minuten Pause nicht nur essen müssen, weil es im Unterricht verboten ist, sondern auch mit ihren Freundinnen und Freunden reden müssen, weil es im Unterricht verboten ist, und rennen und turnen müssen, weil sie sonst in der Kälte frieren. Was den Kindern zugemutet wird, ließen Erwachsene sich nicht gefallen. ROSEMARIE STEGER, München

Vater schmiert das Pausenbrot

■ betr.: „Todsünden in der Butterbrotdose“, taz vom 13. 11. 10

Wer die Unmengen an Zucker und Zusatzstoffen sieht, die in den Süßigkeiten, Drinks und Aufstrichen stecken, die sich in den Butterbrotdosen finden, kann nicht ernsthaft glaubhaft machen, dass diese Kinder sich ansonsten ja „ausgewogen und gesund ernähren“ bzw. ernährt werden. Man weiß, dass 70 Prozent aller Krankheiten ernährungsbedingt sind. Und man weiß auch, dass die größten Hindernisse für eine gesunde Ernährung unserer Kinder erstens die Lebensmittelindustrie ist und zweitens – sorry – die Mütter sind. Sie sind es nämlich, die einer Einrichtung wie Kita oder Schule Steine in den Weg legen, wenn die es tatsächlich wagen, ihre Schützlinge verantwortungsvoll zu ernähren. HERBERT MAYER, Kempten