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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Eine bioethische Fallgrube

■ betr.: „Der Arzt, der den Streit implantierte“, sonntaz vom 12. 3. 11

Dr. Bloechle stellt die Präimplantationsdiagnostik (PID) als Instrument zur Befreiung der Frau dar. Er vernachlässigt dabei den gesellschaftlichen Druck zum lebensplanerisch optimal terminierten und dank Selektion optimierten Kind, dem Frauen mittlerweile ausgesetzt sind. ÄrztInnen wie Dr. Bloechle suggerieren, dass Schwangerschaft und Geburt von Kummer und auch von Leid „geheilt“ werden können. Letztendlich wird es Frauen damit extrem erschwert, Kinderlosigkeit oder die Fürsorge und Liebe gegenüber einem behinderten Kind zu akzeptieren und Lebensentwürfe jenseits normierter Fertilität zu entwerfen. Zweitens verschärft die zunehmende Pränataldiagnostik die globale Zweiklassengynäkologie: Während wir Know-how und Ressourcen binden, um Wunschkinder zu produzieren, sterben in den armen Ländern minütlich junge Mütter wegen vermeidbarer Geburtskomplikationen. Die PID ist eine bioethische Fallgrube und feministische Mogelpackung.

ANJA PETERS, Neubrandenburg

Pauschalisierender Unsinn

■ betr.: „Wer viel Speck hat, kann viel weitergeben“, Interview mit dem Geburtsmediziner Klaus Vetter, taz vom 12. 3. 11

Was im Interview zur Zunahme des Geburtsgewichtes in den letzten zwanzig Jahren zu lesen ist, mag aus medizinischer Lehrbuchsicht korrekt sein. Pauschalisierender Unsinn ist es trotzdem, denn individuelle Schwangerschaftsumstände kommen an keiner Stelle zur Sprache.

Mein erster Sohn ist vor knapp acht Jahren mit 4.230 Gramm und 55 Zentimetern in Kreuzberg zur Welt gekommen. Ich bin weder groß, noch habe ich viel Speck auf den Rippen, ich habe auch in der Schwangerschaft nicht mehr als als sonst gegessen. Und zu meinem großen Glück hat keine einzige Ärztin und Hebamme mein Kind damals als „übergewichtig“ bezeichnet und bei mir Ängste geschürt. Mein Sohn hat nicht später als andere krabbeln und laufen gelernt, er ist heute nicht größer und schwerer als der Durchschnitt. Mein zweiter Sohn wiederum war bei der Geburt ein ganzes Kilo leichter.

Ich wünsche allen Erstgebärenden mit Kindern der etwas robusteren Sorte, dass sie sich auf weniger alarmistische Informationsquellen verlassen. CLAUDIA MATTERN, Berlin

Kostenlose Verhütungsmittel

■ betr.: „Lieber Klassenfahrt als Pille“, taz vom 11. 3. 11

Kinderwunsch und die mehr oder weniger sichere Anwendung von Maßnahmen zur Schwangerschaftsverhütung werden aus vielen verschieden Quellen heraus beeinflusst. Der ökonomische Faktor, also das zur Verfügung stehende Geld für eine Verhütungsmethode, ist nur einer davon.

Nicht nur für Frauen, die Hartz IV beziehen, ist es oft nicht einfach, das Geld für Pille oder Spirale aufzubringen. Wer sorgt sich um Studentinnen mit oder ohne Bafög, um Auszubildende, um Frauen, die acht Stunden bei Netto oder Aldi an der Kasse sitzen mit kaum mehr Einkommen als Hartz IV? Frauen mit Hartz IV wird kaum Kinderwunsch zugestanden, schon gar nicht der nach einem zweiten oder gar dritten, vierten Kind. Aber auch bei diesen Frauen ist Kinderwunsch vorhanden, wird mitunter ambivalent erlebt, und leider enden auch Schwangerschaften mit einem Abbruch, weil vielleicht ein Partnerkonflikt nicht gelöst werden kann. Das gibt es aber bei einkommensstärkeren Frauen auch. Nur kann die Frau mit Hartz IV ihre ökonomische Situation viel akzeptabler als Grund für den gewünschten Abbruch nach außen vortragen.

Jeder kann das verstehen, akzeptieren und ihr mitfühlend entgegenkommen. Kann es nicht sogar wieder eine Diskriminierung der Hartz-IV- oder Sozialhilfe-Frauen sein, wenn ihnen die Pille, Spirale, Sterilisation finanziert wird, damit sie sich in ihrer schwierigen ökonomischen Situation nicht auch noch fortpflanzen? Konsequent wäre das Anliegen, kostenlose Verhütungsmittel wie Pille, Spirale oder Sterilisierung für alle Frauen zu fordern, unabhängig von ihrem Einkommen. VIOLA HELLMANN, Frauenärztin, Dresden