LESERINNENBRIEFE :
Die Krankheit der Armen
■ betr.: „Ebola-Schutzanzüge nicht nötig“, taz vom 2. 9. 14
Täglich, ja stündlich erreichen uns Nachrichten über die Verbreitung von Ebola in Westafrika. Was uns im Westen am meisten interessiert, ist, ob wir gefährdet sind oder ob die Krankheit uns auch in unserem Land erreichen kann.
Ob die Schutzanzüge nötig sind oder ob sie Angst machen, spielt im Moment wohl keine Rolle. Wo bleiben die geringsten Hilfsmittel, die jetzt nötig sind? Hygienische Maßnahmen, Desinfektionsmittel, aber für alle. Wer die Krankenhäuser oder Krankenstationen, die gesundheitliche Versorgung kennt, weiß, warum sich die Krankheit so rasant verbreitet. Es ist die Krankheit der Armen. In den meisten Krankenhäusern Afrikas ist es so, dass Dinge wie Gummihandschuhe oder Desinfektionsmittel immer mitgebracht werden müssen, wenn man krank ist. Wer aber hat das Geld dafür, wenn man nicht mal Geld hat, einen Arzt aufzusuchen?
Wir diskutieren ständig über Waffenlieferungen und militärische Einsätze, wo es meistens darum geht, Ressourcen zu erhalten; aber die Katastrophe Ebola wird ganz ruhig durch eine andere Brille betrachtet, es lohnt sich nicht! Da sterben ganze Familien binnen weniger Tage weg und wir haben nur eine Angst, kommt Ebola auch zu uns? ENGELINE KRAMER, Leer
Die Reihe ist unvollständig
■ betr.: „verboten“, taz vom 3. 9. 14
Fast jeden Morgen ist „verboten“ richtungsweisend, tröstend oder (mindestens) aus der Seele sprechend. So auch heute. Allerdings ist die Reihe der uns bedrohenden Weltkrisen unvollständig. Die vollständige aktuelle Reihe muss lauten: Putin, Isis, Ebola, Hamas und Gauck. MARTIN BURRER, Bönnigheim
Unglaublicher Vorgang
■ betr.: „Asyl. Berlin betrügt Flüchtlinge“, „Verarscht“, taz vom 2. 9. 14
Dieser Vorgang in Berlin ist unglaublich! Das ist Wortbruch! Vertrauen gehört zu einer Demokratie. Ohne Vertrauen lassen sich Probleme nicht lösen. Herr Henkel provoziert mit diesem Wortbruch und Vertrauensmissbrauch. Das ist eine Berliner Regierungskrise! Das ist eine Demokratiekrise! Das ist eine Glaubwürdigkeitskrise!
Herr Henkel hat sich als unfähig erwiesen, demokratisch verantwortlich mit seinem politischen Amt umzugehen; er muss gehen!
ANGELIKA-MARIA LEUCHS, Neuendettelsau
Regierung ist nicht Regierung
■ betr.: „Verarscht“, taz vom 2. 9. 14
Es ist sicherlich ein Novum, dass ein Bürgermeister und sein Innensenator auf einer Pressekonferenz eine politische Einigung mit Flüchtlingen präsentieren, die dann rechtlich über ein bestelltes Gutachten in Frage gestellt wird, da sie angeblich vom falschen Regierungsmitglied unterzeichnet wurde. Die Regierung will sich aus der Verantwortung schleichen, indem sie sich selbst zum Affen macht.
Alle Geschichten, die über Gebrauchtwagenhändler erzählt werden, sind doch Peanuts, wenn man es mit dem Berliner Innensenator Henkel zu tun hat. Der möchte nicht zu seinem Wort stehen, da er den Vertrag nicht unterzeichnet hat, sondern „nur“ das Regierungsmitglied Frau Sozialsenatorin Kolat. Rechtlich sei seine politische Zusage nicht bindend.
Was lernen wir? Regierung ist nicht Regierung. Das Vertrauen der Flüchtlinge ist zerstört, klar. Der hiesige Staat hat sie verarscht. Die Hauptstadtregierung eines vermeintlich demokratischen Rechtsstaates agiert auch nicht anders als eine Bananenrepublik oder eine Willkürherrschaft. Das Herrschaftsmuster ist ihnen bekannt, auch, wenn es hier mit wohlfeilen Methoden und bürokratischen Ärmelschonern durchgesetzt wird. Die Flüchtlinge mussten leider lernen, es geht überall gleich zu, nur die Methoden sind anders.
Moralisch ist man angewidert. Politisch würd ich sagen: Henkel hat um seine Entlassung gebeten. Man sollte dem schwachen Mann auf die Beine helfen und ihm einen Anlass schaffen, an dem er sicher scheitern wird. Das ist besser für ihn und für Berlin auf alle Fälle. GABY GOTTWALD, Berlin
Schaler Beigeschmack
■ betr.: „Deutschlands rechter Rand“ u.a., taz vom 1. 9. 14
Wie tief darf, soll denn die Wahlbeteiligung noch fallen, bevor Zweifel an der demokratischen Legitimation aufkommen?
Jetzt sind es also deutlich unter 50 Prozent in Sachsen und niemanden scheint es zu stören. Im Gegenteil, wir sehen die AfD jubeln, die CDU ungerührt zur Tagesordnung übergehen, SPD und Linke sind „den Umständen entsprechend“ auch zufrieden.
Ist Demokratie erst in Gefahr ab 40 oder 30 Prozent Wahlbeteiligung oder ist die Grenze nach unten offen? Es kann für eine demokratische Gemeinschaft nicht sinnvoll sein, wenn das Interesse an Wahlen gegen null geht.
Zumindest die Wahlkampfkosten-Erstattung muss an die tatsächliche Beteiligung gekoppelt werden statt an die theoretisch mögliche Wählerzahl, damit die Parteien das Desinteresse auch am Geldfluss spüren. So hat das jetzt einsetzende Gejubel einen mehr als schalen Beigeschmack und lässt für zukünftige Landtags- und Kommunalwahlen Übles erwarten. UWE BARKOW, Frankfurt am Main