piwik no script img

Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Impfen schützt

■ betr.: „Masern. Grandiose Fahrlässigkeit“ u. a., taz vom 24. 2. 15, LeserInnenbriefe dazu, taz vom 25. + 26. 2. 15

Wer Angst vor Impfschäden hat, und dies ist ja ganz rational zu begründen, der müsste vor den Gefahren und Komplikationen der Masern-Wilderkrankung um ein Vielfaches, um Dimensionen erhöhte Angst haben. Es gilt mit vielen Vorurteilen und zum Teil Mythen und Desinformation, leider auch mit knallharten ideologisch verbrämten Gegnerschaften gegen Impfungen aufzuräumen. Kurz zusammengefasst könnte man eine Impfung definieren als eine sichere Form der gezielten aktiven Immunisierung des Körpers zu einem Zeitpunkt eigener Wahl. Wir wissen dann, dass das geimpfte Kind etwa sieben bis zehn Tage nach der Impfung Fieber bekommen kann und kurzzeitig schlecht drauf ist. Die Masernerkrankung hingegen kommt immer überraschend, zu einem Zeitpunkt, den man nicht planen kann. Es ist vielleicht nicht ausreichend bekannt, dass man durch Masern sterben kann oder aber neurologische Komplikationen für sein ganzes Leben mit sich tragen kann. U. a. die SSPE, eine langsam fortschreitende Entzündung im Gehirn, die nach Jahren ausbricht, nicht behandelbar ist, zu Bewegungsstörungen, Anfällen und letztlich, da sie untherapierbar ist, zum Tode führt.

Noch ein Missverständnis: Mit Hygiene im Kindergarten oder in der Schule ist der Ausbreitung der Krankheit nicht beizukommen, da die Ansteckung schon von Personen erfolgen kann, die noch nicht deutlich krank sind, sondern eventuell nur unspezifische Infektzeichen haben. Parallel gibt es ja auch noch viel gewöhnlichen Husten und Schnupfen. Tröpfchen fliegen rum. In der Phase weiß niemand, wer denn jetzt vielleicht Masern hat und wer nur einen harmlosen Infekt. Dass die ungeimpften Kinder in der Phase der Unklarheit nicht in den Kindergarten gehen sollen, ist also keine Diskriminierung, sondern dient ihrem individuellen Schutz. Es wird ja immer wieder gesagt: „Aber früher haben wir doch auch alle Kinderkrankheiten durchgemacht, uns hat es doch auch nicht geschadet.“ Ja früher war aber auch die Kindersterblichkeit eine ganz andere als heute, was natürlich nicht nur an einer Krankheit (Masern), sondern an vielen Faktoren lag. Viele starben auch an anderen Infektionskrankheiten wie Diphterie, Keuchhusten, aber natürlich auch aus einer Vielzahl anderer Ursachen.

Noch ein Letztes: Die Impfgegner bleiben eigentlich den Nachweis von Daten schuldig über die so viel beschworenen Impfschäden. Wenn man/frau drauf hinweist und nachfragt, wo denn diese Daten über die häufigen Impfkomplikationen sind, kommen sie mit Verschwörungstheorien, es würde alles von Staat, Pharmaindustrie, Ärzten vertuscht. Das Gegenteil konnte zumindest in Bezug auf eine Studie nachgewiesen werden, die den Zusammenhang zwischen Masernimpfung und Ansteigen der Fälle von Autismus in Großbritannien nachweisen sollte und vor Jahren im Lancet veröffentlicht wurde. Die Studie erwies sich als gefälscht. Es erfolgte kein Aufschrei, nirgends. WOLFRAM ROGER, Kinderarzt, Bremen

Verfahren müssen öffentlich sein

■ betr.: „SPD handelt durchsichtig“, taz vom 24. 2. 15

Man kann ja noch nachvollziehen, dass transnationale Handelsabkommen so etwas wie eine Clearingstelle brauchen. Aber die darf sich – um der nationalen Politik nicht das Heft des Handelns aus der Hand zu nehmen – doch nur damit befassen, dass alle Wettbewerber auf dem jeweiligen nationalen Markt nach denselben Grundsätzen behandelt werden. Und wenn sich die nationale Politik entschließt, bestimmte bisherige Regeln zu ändern, weil es für das Volk besser ist, dann haben sich alle Marktteilnehmer in gleicher Weise danach zu richten. Dagegen klagen, weil man seine Gewinnerwartungen beeinträchtigt sieht, darf nicht erlaubt sein. Und eine solche Clearingstelle muss mit Richtern besetzt sein, die von den betroffenen Staaten benannt werden. Eine überprüfende Instanz ist zwingend vorzusehen. Außerdem müssen die Verhandlungen öffentlich sein, wie es in der Regel Gerichtsverfahren sind. Alles andere wäre eine Bankrotterklärung der Politik vor der Wirtschaft und schadet der Demokratie. FRIEDRICH-KARL BECKMANN, Pinneberg

Hin und Her verärgert

■ betr.: „Kommissarin Malmström sagt Nein“, taz vom 24. 2. 15

Unser Wirtschaftsminister Gabriel ist in seinen Aussagen recht wankelmütig; so hat er auch seine Partei mit seinem Hin und Her in der Frage der Akzeptanz der Freihandelsabkommen verärgert. So ist sein jetziger Vorstoß, statt der im Ceta-Abkommen vorgesehenen privaten Schiedsgerichte einen internationalen Handelsgerichtshof zu etablieren, wohl nicht mehr als das Werfen von Nebelkerzen. Und über die Realisierung des Vorschlags spricht das Nein von Kommissarin Malmström Bände.

Die Sonderklagerechte, mit denen Konzerne Staaten überziehen können sollen, wenn sie sich „diskriminierend“ behandelt fühlen, sind darüber hinaus nur eine Seite der geheimen Verträge. Vielmehr sollen bereits im Vorfeld von Gesetzgebungen und handels- oder investitionsbeschränkenden Maßnahmen mit Konzern- und Wirtschaftsvertretern beraten werden. Die Politik hätte es damit noch schwerer, sich im Sinne des Gemeinwohls gegenüber der Wirtschaftslobby zu behaupten, sei es nun auf dem Gebiet des Umweltschutzes, der Verbraucherschutz- und ArbeiterInnenrechte, Lohnniveaus, Gesundheits- und Sozialauflagen, diese würden dann insgesamt als „Handelshemmnisse“ angesehen. Wie bereits durch die Schuldenbremse begonnen, könnte durch die verschiedenen Handelsabkommen das von Kanzlerin Merkel angestrebte Ziel, die „parlamentarische Mitbestimmung marktkonform“ zu gestalten, endlich erreicht werden. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel