LAN-Festival in Schweden: Wenn die Regierung Egoshooter lobt
Das Gamer-Festival "Dreamhack" in Jönköping zeigt das hohe Ansehen von Computerspielen in Schweden. Auch eine Ministerin kam zur "Kulturveranstaltung", wie sie betonte.
STOCKHOLM taz Neuer Weltrekord beim "Dreamhack"-Festival: Am Sonntag ist nach vier Tagen und drei Nächten die Gamer-Veranstaltung im südschwedischen Jönköping zu Ende gegangen. 10.455 Rechner waren diesmal gleichzeitig zu einem gemeinsamen Netzwerk zusammengekoppelt. Womit der bisherige - auch von "Dreamhack" im vergangenen Jahr aufgestellte - LAN-Rekord von 8531 Rechnern deutlich übertroffen werden konnte. Und mit insgesamt rund 14.000 davon rund 15 Prozent weiblichen Gamern gab es in dem verschlafenen Provinzstädtchen mit seinen 85.000 EinwohnerInnen auch einen neuen Besucherrekord.
Um den unter Dach und Fach zu bringen, hatte "Telia", die schwedische Telekom eine bislang zumindest in Skandinavien einmalige Internetkapazität mit einer Bandbreite von 40 Gigabit in der Sekunde aufgebaut. 200 Kilometer Netzwerkkabel wurden in den Messehallen, welche "Dreamhack" beherbergten, verlegt und eine Netzwerkfirma lieferte den mehrere Millionen Euro teueren und derzeit weltweit schnellsten Router mit einer Kapazität von 92 Terabit pro Sekunde. "Voll konfiguriert könnten damit eine Milliarde Menschen gleichzeitig online spielen", berichtete Sverker Hannervall, Chef von Cisco-Sweden: "Mit Voice in Realtime und dabei gleichzeitig noch miteinander chatten."
Was da in Jönköping gespielt wurde, war neben "World of Warcraft" vor allem "Counter Strike". Mit dem Egoshooter, den übereifrige PolitikerInnen in Deutschland immer mal wieder verboten haben wollen, hat Schweden keine Probleme. Eine Studie des Medienrats kam erst kürzlich zum Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen realer und virtueller Gewalt wissenschaftlich nicht bewiesen werden könne. Computerspiele wurden sogar ausdrücklich gelobt, da sie das Reaktions- und Auffassungsvermögen der Jugendlichen positiv beeinflussen können. Computerspiele haben in Skandinavien längst Einzug in die regelmäßige Kulturberichterstattung der Medien genommen. Jede große Zeitung hat ihre wöchentliche Game-Seite, auf der Neuerscheinungen ebenso selbstverständlich wie Filmpremieren rezensiert werden. Und zu "Dreamhack" gibt es an den meisten Schulen mittlerweile offiziell frei.
Folglich gaben sich dort nicht nur viele Technikfirmen auf der Suche nach Nachwuchs und ein Dutzend Universitäten die Ehre, um für ihre IT-Ausbildungen zu werben. Sondern neben dem schwedischen Militär, das Jugendliche, die sich für Computer interessieren für eine interessante Zielgruppe hält, auch die Regierung in Gestalt der IT- und Infrastrukturministerin Åsa Torstensson. "Ich bin hier um zu lernen", erklärte sie: "Es war für mich wichtig zu sehen, dass das eine Kulturveranstaltung so ähnlich wie ein Musik-Festival ist." Die von der "Dreamhack"-Bühne am Samstag von der Ministerin verkündete Botschaft: Die BesucherInnen sollten nicht auf die hören, die ihnen erzählen wollten, dass Computerspiele schädlich seien. Alle, die meinten, solche Spiele würden Jugendliche isolieren, würde sie gerne zu einem Besuch bei diesem Gamer-Festival einladen.
"Tausende Jugendliche und keine Betrunkenen", war so auch das Aufregendste, das die Stockholmer Boulevardzeitung "Expressen" aus Jönköping melden konnte. So viele Jugendlichen an einem Ort würden in Schweden ansonsten doch mit einiger Wahrscheinlichkeit zu Problemen führen, wundert sich die Zeitung. Wird aber vom "Dreamhack"-Chef David Garpenståhl aufgeklärt: "Unter Gamern gibt es da eine Art ungeschriebenen Ehrencodex. Alkohol war hier noch nie ein Problem."
Außerdem würde Alkohol ja auch das Reaktionsvermögen beim "Counter Strike"-Spielen vermutlich gar nicht positiv beeinflussen. Stattdessen standen, wie seit zwölf Jahren bei "Dreamhack" üblich, wieder Unmengen des koffeinreichen LAN-Kultgetränks "JoltCola" bereit. 200.000 Liter in diesem Jahr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!