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LABOURS ALBTRAUM IN LONDON HEISST KEN LIVINGSTONETony Blair kann nur verlieren

Würden die Wahlen heute stattfinden, wäre Ken Livingstone morgen Londons Bürgermeister. Sein Vorsprung gegenüber dem Labour-Kandidaten Frank Dobson beträgt 55 Prozent laut neuester Meinungsumfragen – ein Albtraum für Premierminister Tony Blair, denn er muss dabei schlecht aussehen. Der „rote Ken“, der die alte Labour Party verkörperte wie kein anderer und nun aus der Partei ausgeschlossen ist, würde als Bügermeister auf die finanzielle Hilfe der Blair-Regierung angewiesen sein. Bewilligt sie zum Beispiel die Mittel für die Sanierung der maroden U-Bahn, werden die Londoner es Livingstone als Erfolg anrechnen. Verweigert die Regierung das Geld, so wird man es als billigen Racheakt Blairs auslegen.

Dobson hat bis zum 4. Mai Zeit, in der Gunst der fünf Millionen Londoner Wahlberechtigten aufzuholen. Doch selbst wenn er es schaffen sollte, ist der langfristige Schaden für die Labour Party kaum noch abzuwenden. Blair verprellt mit seinem Kontrollwahn nicht so sehr die Mittelschichtwähler, die bei den Wahlen vor knapp drei Jahren zu Labour übergelaufen sind, sondern die traditionellen Labour-Wähler und die Parteiaktivisten. In Schottland und Wales hat sich gezeigt, wohin das führt: Bei den schottischen Wahlen verlor Labour sicher geglaubte Sitze und musste eine Koalition eingehen, in Wales musste der Erste Minister Alun Michael, der dem Bezirksverband von Blair aufgezwungen worden war, vor kurzem zurücktreten, weil er nicht das Vertrauen seiner eigenen Abgeordneten hatte. Die manipulierte Kandidatenwahl in London, die Livingstone trotz 80 Prozent der Stimmen verlieren musste, hat die Parteibasis noch mehr desillusioniert.

Labour ist dank der Parteiführung so weit wie noch nie in ihrer hundertjährigen Geschichte davon entfernt, eine Labour Party, eine Arbeiterpartei, zu sein. Blair richtet seine Politik nach den Mittelschichtwählern aus, weil er glaubt, dass die Labour-Stammwähler nirgendwohin abwandern können. Das ist ein Irrtum: Sie können zu Hause bleiben. Wenn nur ein Fünftel von ihnen im nächsten Jahr nicht wählt, verliert Labour 58 Wahlkreise. Die Tories müssten in diesem Fall nur 29 Sitze hinzugewinnen, und Labours Unterhausmehrheit wäre dahin.

Ein realistisches Szenario, zumal der Londoner Bezirksverband nach Livingstones Parteiausschluss gespalten ist. Livingstone sagte vorgestern, als er seine Kandidatur bekannt gab, er habe zwischen seiner geliebten Partei und dem demokratischen Recht der Bürger Londons wählen müssen. Diesen Satz sollte sich Blair merken. RALF SOTSCHECK

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