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Kwizinskij kritisiert CDU–Gastgeber

■ Außenpolitischer Kongreß der Union / Sowjetbotschafter übt scharfe Kritik an der Deutschlandpolitik der CDU und erntet dafür Buh–Rufe von den Christdemokraten / Streitpunkte mit den USA blieben ausgespart

Aus Bonn Ch. Wiedemann

Auf einem außenpolitischen Kongreß der CDU in Bonn hat der sowjetische Botschafter Kwizinskij die Deutschlandpolitik der Union scharf kritisiert. Unter Buh–Rufen der versammelten Christdemokraten sagte er, alle Erklärungen über die Wiederbelebung der deutschen Einheit seien von Realpolitik weit entfernt und würden das Vertrauen der europäischen Nachbarn untergraben. Gleichzeitig ließ Kwizinskij keinen Zweifel daran, daß die Sowjetunion von einer neutralen Bundesrepublik nichts hält: „Je fester die Bundesrepublik im westlichen Bündnis verankert ist, desto stabiler sind die bestehenden territorial–politischen Strukturen in Europa. Diese Strukturen haben uns allen 40 Jahre Frieden in Eurppa gebracht und dürfen nicht aufgegeben werden.“ Ohne Namen eigener Parteikollegen wie Friedmann zu nennen, konterte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Volker Rühe, nun müßten diejenigen Klarheit haben, die auf sowjetische Angebote in der deutschen Frage spekulierten. Zu den Realitäten in Europa gehöre aber, so Rühe, „der Wille des deutschen Volkes, die Teilung zu überwinden“. In einem ungewöhnlichen Arrangement hatte die Union im Vorfeld ihres Parteitags im Juni Kwizinskij und seinen amerikanischen Kollegen Botschafter Burt zur außenpolitischen Debatte geladen. Streitpunkte wie die Modernisierung der Kurzstreckenraketen wurden im Dialog mit Burt allerdings ausgespart. Die gegenwärtige Debatte um die Zukunft der NATO und des amerikanischen Engagements in Europa nach dem INF–Abkommen wurde von Burt in der Bedeutung eher heruntergespielt: „Wenn etwas nicht kaputt ist, soll man daran nicht herumreparieren.“ Eine Stärkung des europäischen Pfeilers in der NATO werde von den USA für sinnvoll gehalten, unter anderem weil damit „die Unterstützung für das Bündnis in der europäischen Öffentlichkeit wachsen“ würde. „Einer neuen Struktur oder Strategie bedarf die NATO nicht.“ Hinsichtlich des in den USA als zu gering kritisierten westdeutschen Rüstungsbeitrags äußerte Burt Verständnis für die deutsche Seite: In den USA würde übersehen, welche „Opfer“ in der BRD gebracht würden - nämlich Verlängerung der Wehrpflicht, Tiefflieger und Manöver–Dichte. Einleitend hatte auch Kohl das Thema Kurzstreckenraketen nur in einer verquasten Formulierung angetippt: Er wandte sich gegen einseitige Abrüstung und gegen „einseitige Vorleistungen wie Modernisierung“. Das CDU–Präsidium hatte kurz zuvor in Korrektur eines Geißler–Vorschlags die deutsche Wiedervereinigung erneut zum „vordringlichsten Ziel“ erklärt.

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