piwik no script img

Kurzer Prozeß?

■ Gericht muß im Fall Tamar S. entscheiden: Zeugen oder Plädoyers

Wenn es nach der Angeklagten ginge, müßten sie alle als Zeugen Rede und Antwort stehen: Die Ärzte des AK Ochsenzoll, die SOKO Holst, Thomas Holst selbst, ihre Ex-Lebensgefährtin und auch die Justizbeamtinnen, die sie auf Anweisung nackt in der Untersuchungshaftzelle einsperrten. Gestern stellte die Verteidigung der Fluchthelferin und Holst-Therapeutin Tamar S. eine Flut von Beweisanträgen, über die das Hamburger Landgericht bis zum 8. Juli entscheiden wird.

Grund der langen Zeugenliste: Zwar hat die 39jährige Tamar S. ein umfassendes Geständnis abgelegt, doch Staatsanwältin Claudia Knoll ist in entscheidenden Punkten anderer Auffassung. Die Angeklagte, glaubt sie, habe den Frauenmörder aus niederen Beweggründen befreit. Die Therapeutin habe mit Holst außerdem nach Israel flüchten wollen. Dazu seien das bei Holst sichergestellte Geld und die Kopie des Personalausweises ihres Ehemanns bestimmt gewesen. Für Tamar S. hingegen ist die Befreiung „eine politische Tat“ gewesen, um Holst zu einer Therapie zu verhelfen und seine Abschiebung ins Gefängnis zu verhindern.

Außerdem sollen Zeugenaussagen belegen, daß Tamar S. von Polizei und Justiz in unzulässiger Weise gequält wurde. Bewiesen werden soll auch, daß sie Holst „draußen“ therapiert hat und daß seine Krankenakten manipuliert worden sind. Ob das Gericht Zeugen zulassen wird, ist unklar. Viele Beweisanträge „rennen offene Türen ein“, so Richter Runge. Wird eine Zeugenvernehmung samt und sonders abgelehnt, könnte es zu einem kurzen Prozeß kommen. Die Plädoyers werden dann schon am 16. Juli gehalten. Silke Mertins

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen