Kurze Flaute für den Jochen

Allnächtlich versammeln sich in Grünau Segelfans, um ihrem Clubmitglied Jochen Schümann beim Rennen um den America’s Cup die Daumen zu drücken. Und wenn der Wind mal nicht bläst, werden eben Segelvideos gezeigt

Mit schlechtem Wetter hatten die etwa 60 Segler im Yachtclub Grünau nicht gerechnet. Am späten Freitagabend wollten sie auf einer Leinwand miterleben, wie Clubmitglied Jochen Schümann weit entfernt im Pazifik seinem Ziel näher kommt, als erster Deutscher den America’s Cup zu gewinnen. Und dann das: Dauerflaute im Hauraki-Golf vor Neuseeland, zweite Rennabsage hintereinander, lange Gesichter bei den Seglern der Schweizer „Alinghi“-Crew und des Teams New Zealand. Und auch am Müggelsee ist die Enttäuschung groß.

„Da kannst du nichts machen“, sagt Bernd Jäkel. Der 48-Jährige hat mit Jochen Schümann lange in einem Boot gesessen. Schümann drehte am Steuerrad, Jäkel hisste mit Thomas Flach die Segel. Zwölf Jahre lang segelten die drei Männer zusammen und gewannen in jedem Jahr mindestens eine Medaille bei Welt- oder Europameisterschaften oder bei den olympischen Spielen. 1988 und 1996 holten sie olympisches Gold.

Jäkel weiß, warum der als Perfektionist geltende Schümann, zurzeit Sportdirektor im „Alinghi“-Team, die prestigereichste Trophäe des Segelsports gewinnen könnte: „Der Jochen ist 24 Stunden am Tag für das Segeln da. Er greift nach den Sternen und bekommt sie auch.“

Dass Schümann und die Schweizer Crew es tatsächlich schaffen könnten, den Cup 152 Jahre nach seiner Premiere nach Europa zu holen, hatten sie in den ersten drei der maximal neun Rennen eindrucksvoll angedeutet. Jedes Mal sah der favorisierte Titelverteidiger Team New Zealand gegen die Binnensegler vom Genfer See alt aus. 3:0 führt die „Alinghi“. Noch nie in der langen Geschichte des Rennens hat ein Team verloren, das so eindeutig in Führung liegt. Den Schweizern fehlen nur noch zwei Siege zum Triumph.

Den ersten davon wollen sich die Mitglieder des Grünauer Yachtclubs keinesfalls entgehen lassen. Seit 22 Uhr bereiten sie sich auf das Rennen vor mit Bier, belegten Brötchen und Hähnchenkeulen. Zum Zeitvertreib kommentiert ein Clubmitglied den Videofilm von seinem letzten Segelurlaub in der Südsee.

Um 0.45 Uhr beginnt im Schweizer Fernsehen die Übertragung. Doch sie dauert nur wenige Augenblicke. Am unteren Bildrand blinkt gelb „race abandoned“ – das Rennen ist abgesagt wegen unbeständiger Winde. Heute wird es also nichts mehr mit dem erhofften Sieg. Doch die Köpenicker Segler werden wiederkommen. Nacht für Nacht, so lange, bis der Wind wieder ordentlich bläst und vor allem bis „ihr Jochen“ den Cup gewonnen hat.

„Der deutsche Segelsport hat durch Jochen unheimlich an Wertschätzung gewonnen“, sagt Bernd Jäkel. Wenn der America’s Cup beim nächsten Mal wirklich in Europa stattfinden sollte – der Titelverteidiger ist gleichzeitig auch Ausrichter – wäre es daher nur logisch, „wenn sich endlich Sponsoren für ein deutsches Team finden würden“, so Jäkel. Schon heute engagieren sich unter anderem SAP und BMW.

Für seinen Yachtclub erwartet auch Pressewart Klaus Müller einen Popularitätsschub: „Doch wichtiger ist, dass die Randsportart Segeln in diesen Wochen in aller Munde ist.“ MARTIN GROPP