Kurt Beck stellt Buch vor: Der unverstandene Sozialdemokrat
Der weggemobbte SPD-Vorsitzende Kurt Beck stellt wenige Wochen nach dem Rücktritt seine Autobiografie vor. Das Ende seiner Karriere trage "intrigenhafte Züge". Die Intriganten verschweigt er.
Gerhard Schröder war nicht da. Eigentlich sollte der Exkanzler Kurt Becks Autobiografie "Ein Sozialdemokrat" vorstellen. So war es vor ein paar Wochen geplant, damals, als Beck noch SPD-Chef war. Jetzt ist alles anders.
Kurt Beck steht im Blitzlichtgewitter der Fotografen, lächelt tapfer und hält sein Buch in die Kameras. Das Buch wird in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung vorgestellt. Es ist für Beck eine Art Heimspiel in der Fremde.
"Warum ist Schröder nicht hier?", fragt der Journalist Heiner Bremer, der als Exkanzlerersatz fungiert. Wollte er nicht mehr? Beck antworte, wie so oft, ziemlich lang und ziemlich vage. Dass man sich gemeinsam darauf verständigt habe und "dass es jetzt gut ist, Distanz hereinzubringen zwischen denen, die das Buch vorstellen, und den Ereignissen, die in dem Buch beschrieben werden." Das ist eines dieser Satzungetüme, bei denen Zuhörer stöhnen. Auch deshalb ist Beck in Berlin gescheitert.
Es geht wieder darum, was passiert ist, ob Putsch, Intrige oder ein Missverständnis seine Karriere als SPD-Chef beendeten. Ein Putsch war es nicht, sagt Beck, aber es gab "intrigenhafte Züge". Die Informationen für den Spiegel-Text, der Anlass für seinen Rücktritt war, flossen schon vor dem entscheidenden Treffen mit Müntefering und Steinmeier. In dem Buch ist zu lesen, dass er nach dem Treffen mit Steinmeier und Müntefering SPD-Generalsekretär Hubertus Heil von dem Plan informierte, Steinmeier zum Kanzlerkandidaten zu machen. Will sagen: Als Verräter kommen nicht nur Steinmeier und Müntefering in Betracht. Doch wer die Intrige einfädelte, darüber schweigt Beck.
In der SPD-Spitze fragen sich manche, was Beck will. Seine Wunden lecken? Oder sich an Müntefering rächen? Beck sagt: "Ich habe respektvolle Empfindungen für Franz Müntefering."
Kurt Beck will sich rechtfertigen. Erklären, warum er tat, was er noch nie tat: aufgegeben. Das widerspricht seinem proletarischem Ethos. "Man macht seine Arbeit fertig, egal was kommt" sagt er.
Becks Version seines Scheiterns lautet: Man hat ihn in Berlin nicht verstanden. In der SPD-Spitze haben viele seine Freundlichkeit als Schwäche gedeutet. Anfangs hat er die Querschüsse aus der Parteizentrale, dem Willy-Brandt-Haus, einfach ignoriert. Bis ihn die permanenten Indiskretionen seinen Job kosteten. Vielleicht, sagt Beck, "hätte ich im Willy-Brandt-Haus ein paar Leute auswechseln sollen, als ich Parteivorsitzender wurde. Aber das ist nicht mein Stil." Weil ihm das "Hintergrundgequake", die Intrigen zuwider waren. Man glaubt Beck diesen Widerwillen. Aber gerade wenn er besonders dringlich wirkt, erscheint er als Opfer. Wie jemand, der unter die Räuber fiel.
Kurt Beck hat versucht, die von Schröder desorientierte SPD mit sich selbst zu versöhnen. Weil er sah, dass eine SPD, die nur für die Rente mit 67 und die Agenda steht, untergehen wird. "Die Lebensrealität der Menschen muss der Agenda hinzugefügt werden", so klingt das in Beck-Deutsch. Deshalb galt er in Berlin absurderweise als Linker. "In Rheinland-Pfalz ist noch niemand auf die Idee gekommen, ich sei ein Linker" sagt er und wundert sich noch immer.
Beck sieht sich als der Unverstandene, der jetzt verzeiht. Der auch wundgerieben tut, was er immer getan hat: die Partei unterstützen. Auch wenn Müntefering sie führt.
"Kurt", so ein SPD-Spitzenpolitiker, "war nicht cool genug für den Job." Kann sein. Aber eine Sozialdemokratie, die mit Figuren wie Beck nichts mehr anfangen kann, hat ein Problem.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl