Kurs Schwarz-Gelb-Grün: Der Reiseführer
Der Chef der Saar-Grünen Hubert Ulrich hat seine Partei auf Jamaika-Kurs gebracht. Wie kams dazu?

SAARLOUIS taz | "Wir machen hier nicht die Ypsilanti!" Es waren klare Worte von Hubert Ulrich, dem Landespartei- und Landtagsfraktionsvorsitzenden der Grünen Saar schon vor der Landtagswahl am 30. August. Oskar Lafontaine, Spitzenkandidat der Linken, hatte da gerade seinen "Vernichtungsfeldzug" (FAZ) gegen die Grünen begonnen und Ulrich vorgeworfen, sich mit Ministerpräsident Peter Müller von der CDU und der Spitze der saarländischen FDP längst auf eine "Jamaikakoalition" nach der Wahl verständigt zu haben. Das erklärte Ziel von Lafontaine: die Grünen aus dem Landtag kegeln und dann darauf hoffen, dass es für SPD und Linke alleine zur Bildung einer regierungsfähigen Mehrheit reicht. Eine Rechnung, die nicht aufgegangen ist.
Ulrich tobte seinerzeit und dementierte umgehend, irgendwelche Absprachen mit Union und FDP getroffen zu haben. Lafontaine sei ein "Lügner", giftete der, wie Lafontaine und auch Heiko Maas (SPD), aus Saarlouis stammende Grüne Anfang August im taz-Interview zurück. Und ein "Wiederholungstäter" noch dazu.
Denn schon im Wahlkampf 2004 habe der inzwischen zum Vorsitzenden der Landtagsfraktion der Linken gewählte Lafontaine versucht, mit der gleichen "Unterstellung" (Ulrich) einer Koalitionsabsprache mit der CDU Stimmung gegen die SPD zu machen. Auch das ging im Prinzip schief. Die CDU errang die absolute Mehrheit. Aber die SPD brach ein. Wohl zur Freude von Lafontaine - damals.
An all das erinnerte Ulrich die Delegierten des Koalitionsentscheidungsparteitags am Sonntag. Und die "gebrannten grünen Kinder" klatschten sich die Hände rot. Lafontaine das grüne Feindbild.
Und mit seiner einsamen Entscheidung vom Freitag, als Landtagsfraktionschef der Linken an der Saar bleiben zu wollen, hat er dem rot-rot-grünen Projekt den endgültigen Todesstoß versetzt - zur großen Freude von Ministerpräsident Peter Müller (CDU), der als Wahlverlierer (minus 13 Prozent) nun von den Grünen im Amt gehalten wird; und zur klammheimlichen Freude sicherlich auch von Ulrich.
Mit einer Unterbrechung von vier Jahren hat Ulrich die Grünen an der Saar seit 25 Jahren fest im Griff. Der Familienvater ist die Inkarnation der Grünen im Saarland. Minister will er nicht werden, sondern Fraktionschef bleiben - als Strippenzieher.
Die klugen Leser der Buchhandlung Zora in Saarbrücken, die vor der Landtagswahl allen Spitzenpolitikern Bücher zuordnen sollten, wählte für Hubert Ulrich denn auch ein Werk von Peter von Matt aus: "Intrige. Theorie und Praxis der Hinterlist."
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder