: Kurdischer Flüchtling in Auslieferungshaft
■ Asylant aus der BRD von Schweizern festgenommen
Essen (taz) - In Auslieferungshaft in Basel sitzt derzeit der Kurde Hasan Hüseyin Yildirim, der in der Bundesrepublik Asyl erhalten hat. Aufgrund eines von der Türkei im März beantragten Fahndungsersuchens von Interpol wurde Yildirim Mitte August bei seiner Einreise in die Schweiz verhaftet.
Nach Auskunft von Yildirims Anwalt wird dem Kurden vorgeworfen, am 21. März 1980 während der Newroz-Feiern einen Polizisten verletzt zu haben. Yildirim, führendes Mitglied einer oppositionellen Kurdenorganisation, war im Februar 1981 in Istanbul festgenommen und während 163 Tagen in Polizeihaft schwer gefoltert worden. Das Militärgericht in Adana verurteilte ihn zu lebenslangem Gefängnis. Für die jetzt von den türkischen Behörden hervorgekramte Tat zur Erlangung eines internationalen Haftbefehls gegen den Kurden dürfte Yildirim also bereits verurteilt worden sein.
Eine Initiative, die sich in Bonn für Yildirim einsetzt, fordert von der Schweiz, daß sie den Mann „unverzüglich freiläßt und den Machenschaften des türkischen Verfolgerstaates eine Abfuhr erteilt“. Außerdem müsse sich die westdeutsche Regierung für den unter ihrem Schutz stehenden Flüchtling einsetzen. Yildirim erhielt Ende letzten Jahres in der BRD Asyl. Ihm war nach über sieben Jahren Haft im September 1988 mit weiteren 18 Gefangenen eine aufsehenerregende Flucht aus dem Kirsehir-Gefängnis gelungen. Sie entkamen durch einen 118 Meter langen Tunnel, den die Männer monatelang gegraben hatten. Yildirim setzte sich in die Bundesrepublik ab und stellte drei Monate nach der Flucht aus dem Gefängnis bei seiner Ankunft auf dem Frankfurter Flughafen einen Asylantrag. In seinem Asylverfahren wurden die Strafverfahren in der Türkei als politische Verfolgung anerkannt.
Wie im Fall Yildirim versuchte die Türkei in der Vergangenheit immer wieder, RegimegegnerInnen über Auslieferungsbegehren in den eigenen Machtbereich zurückzuholen. Yildirims Anwalt Hans Suter hat Haftbeschwerde beim Bundesgericht in Lausanne eingereicht, über die dieser Tage entschieden wird. Obwohl eine Auslieferung unwahrscheinlich sei, so Suter, befürchte er gleichwohl, „daß es drei bis sechs Monate dauern kann“, bis in Lausanne über das Auslieferungsbegehren entschieden werde. Bei abschlägigem Beschluß über die Haftbeschwerde sitzt Yildirim solange im Knast.
Das Innenministerium in Bonn hat den schweizer Behörden inzwischen mitgeteilt, daß Yildirim in der BRD Asyl genießt. Nach Auskunft des Genfer Hochkommissars für Flüchtlinge der Vereinten Nationen wäre jedoch nötig und „entscheidend“, daß die Bundesrepublik bei der Schweiz interveniert, um den unter bundesdeutschem Schutz stehenden Flüchtling schnell freizubekommen. Daß die Schweiz dann reagiert, ist wahrscheinlich. Sie selbst hat im Februar dieses Jahres einen in Italien verhafteten jugoslawischen Flüchtling mit Asyl in der Schweiz unter ihren konsularischen Schutz gestellt und innerhalb von acht Tagen freibekommen.
Im Fall Yildirim jedoch berufen sich die Schweizer Behörden auf das europäische Rechtshilfeabkommen, nach dem sie verpflichtet seien, eine per internationalem Haftbefehl gesuchte Person festzunehmen. Yildirim reiste mit seinem internationalen Flüchtlingsausweis in die Schweiz ein. Durch die Verhaftung, kritisiert sein Anwalt Suter, werde das Dokument, das Flüchtlingen Reisen über Ländergrenzen hinweg ermöglichen solle, „praktisch außer Kraft gesetzt“. Er erwarte von der Schweiz, daß sie Yildirim auch ohne bundesdeutsche Intervention unverzüglich freilasse, „um dem internationalen Flüchtlingsausweis wieder einen Sinn zu geben“.
Bettina Markmeyer
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