Kurden in der Türkei: Sorge um Verwandtschaft in Syrien
Die türkische Regierung wolle die syrischen Kurden aushungern, sagt die kurdische Partei BDP. In Sachen Friedensprozess mahnt sie zu Geduld.
ISTANBUL taz | Mit einem Hilferuf zur Unterstützung der Kurden in Syrien, haben sich die Vorsitzenden der kurdischen Partei BDP in Istanbul an die internationale Presse gewandt. Die Dörfer und Städte der Kurden in Syrien entlang der türkischen Grenzen würden permanent von islamistischen Kämpfern der al Nusra Front oder anderen al Qaida nahestehenden islamistischen Gruppen angegriffen.
Im Gegensatz zu ihren öffentlichen Beteuerungen, unterstütze die türkische Regierung nach wie vor die dschihadistischen Gruppen, weil diese die Kurden bekämpften.
„Diese aus allen möglichen Ländern über die Türkei nach Syrien eingereisten Islamisten könnten sich vor Ort überhaupt nicht halten, wenn sie vom türkischen Geheimdienst nicht unterstützt würden“, sagte Selaheddin Demirtas, einer der beiden Parteivorsitzenden. Damit bestätigt die BDP die Vorwürfe, die in den letzten Tagen in der amerikanischen Presse gegen den türkischen Geheimdienstchef Hakan Fidan erhoben worden waren.
Demirtas beklagte, dass die türkische Regierung die syrischen Kurden regelrecht aushungern wolle. Die Regierung plant, zwischen den kurdischen Städten auf türkischer und syrischer Seite neue Mauern zu errichten. Damit sollen die Kontakte zwischen den Kurden beiderseits der Grenze unterbunden werden.
„Wir können keine Lebensmittel und keine Medizin mehr hinüberbringen“, sagte Demirtas. „Die Lage für unsere syrischen Verwandten wird von Tag zu Tag kritischer“. Demirtas forderte, dass die Kurden offiziell zu der geplanten Syrienkonferenz in Genf eingeladen werden, damit es keine Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg gibt.
Geduld für den Friedensprozess
Zum derzeit praktische gestoppten Friedensprozess zwischen der PKK und der türkischen Regierung forderte Demirtas dagegen überraschenderweise Geduld von allen Beteiligten. Während ein Sprecher der PKK unlängst damit gedroht hatte, den seit März geltenden Waffenstillstand zu beenden, wenn die Regierung nicht endlich Entgegenkommen zeigen würde, zeigte Demirats im Gegenteil Verständnis dafür, dass ein solch komplizierter Prozess nicht innerhalb eines Jahres bewältigt werden könnte.
„Dieses Jahr war die Vorbereitungsphase für ernsthafte Verhandlungen, die hoffentlich nach den Kommunalwahlen im März kommenden Jahres beginnen werden“, sagte er. In anderen Weltgegenden hätten Gespräche zwischen Guerillagruppen und Regierungen ja auch Jahre gedauert, bis es Ergebnisse gegeben hätte. „Wir von der BDP wollen keine Rückkehr zur Gewalt“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?