Kurden in Berlin: "Es wird keine Angriffe geben"

Kurdischstämmige Berliner verfolgen mit Sorge den Konflikt an der türkisch-irakischen Grenze, sagt Riza Baran. Gewalt gegen türkische Einrichtungen erwartet er nicht.

Heizt auch in Berlin Konflikte an: türkische Militäroperationen an der irakischen Grenze Bild: DPA

taz: Herr Baran, das türkische Militär geht gewaltsam gegen PKK-Einheiten im Nordirak vor. Beunruhigt Sie das?

Gegen eine drohende Militäroffensive der Türkei im nördlichen Irak wollen am heutigen Samstag kurdische Verbände in Berlin demonstrieren. Zu der Veranstaltung unter dem Motto "Wir wollen keine türkische Invasion in Kurdistan" werden nach Angaben der Polizei von Freitag rund 1.000 TeilnehmerInnen erwartet. Ab 14 Uhr wollen die Demonstranten vom Breitscheidplatz in Charlottenburg bis vor das türkische Konsulat in der Wilmersdorfer Johann-Georg-Straße ziehen. Bereits am Donnerstag hatten KurdInnen eine Mahnwache vor dem Gebäude der türkischen Botschaft in der Rungestraße abgehalten. Den Kriegsdrohungen der Türkei waren Angriffe von Kämpfern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Grenzgebiet zum Irak vorausgegangen.

Riza Baran: Natürlich beunruhigt mich das. Weil es nicht nur um die PKK geht, sondern auch um den Nordirak, also Südkurdistan. Der Nordirak ist die einzige Region im Irak, die sich nach dem Einmarsch der USA stabilisiert hat und eine einigermaßen friedliche Entwicklung samt Aufbau der Infrastruktur erlebt.

Das sehen Sie in Gefahr durch die Angriffe des türkischen Militärs?

Im Nordirak ist ein kurdisches Autonomiegebiet entstanden mit einem eigene Parlament. Das ist der Türkei ein Dorn im Auge. Sie sehen es als Keimzelle eines zukünftigen kurdischen Staates. Dagegen richten sich die Angriffe.

Wie erleben andere kurdischstämmige Berliner und Berlinerinnen die gegenwärtige politische Entwicklung?

Die Situation hier in Berlin ist ziemlich angespannt.

Inwiefern?

Was in ihrer ehemaligen Heimat passiert, kriegen die Leute mit. Sie befürchten, dass es nicht nur Angriffe auf den Nordirak geben wird, sondern auch auf Orte in der Türkei. Zudem organisieren derzeit rechte Gruppen in der Türkei sehr viele Demonstrationen für die Invasion und gegen die Kurden.

Heizen diese Vorgänge das Klima in Berlin zusätzlich an?

Die Leute hier machen sich natürlich Sorgen um ihre Verwandten in der ehemaligen Heimat.

Man hatte den Eindruck, dass es in den letzten Jahren in Berlin nicht mehr wichtig war, ob jemand, der aus der Türkei kam, kurdischer oder türkischer Herkunft war. Wie haben Sie die Akzeptanz erlebt?

Hier ist es tatsächlich ruhiger geworden, und es gibt mittlerweile gute Kontakte zwischen kurdischen und türkischen Vereinen. Wir arbeiten gemeinsam im Migrationsrat zusammen. Ich habe den Eindruck, dass die Leute gelernt haben, wie man mit Konflikten friedlich umgeht.

Verschärft die politische Situation in der Türkei wieder die Konfliktlinien zwischen der hier lebenden türkischstämmigen und kurdischstämmigen Bevölkerung?

Ich hoffe nicht. Es wird zwar heftig diskutiert, aber ich glaube nicht, dass es zu Handgreiflichkeiten kommt. Weder von rechts noch von links.

Wie gehen PKK-nahe Gruppen in Berlin mit der neuen Situation an der türkisch-irakischen Grenze um?

Hier in Berlin höre ich nichts von ihnen. Sie machen sich zwar Gedanken, aber auf keinen Fall muss man befürchten, dass es Angriffe auf türkische Einrichtungen gibt.

Was macht Sie da so sicher?

PKK-nahe Gruppen haben die gemeinsame Erklärung der kurdischen Einrichtungen in Berlin unterstützt. Einer unserer Appelle lautet: Wer Frieden, Gerechtigkeit und Fortschritt will, der muss auf bewaffnete Auseinandersetzungen verzichten.

Was passiert, wenn es zu einer Eskalation in der Südtürkei kommt? Wird die Situation in Berlin dann auch besonnen bleiben?

Angespannt wird die Situation sicherlich sein. Aber dennoch glaube ich, dass niemand sich von unserer Maxime verabschieden wird, dass der türkisch-kurdische Konflikt nicht mit Gewalt gelöst werden kann.

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