Kunsthaus vor dem Aus: Tacheles an der Oranienburger
Nach 18 Jahren soll das Kunsthaus Tacheles die Kaufhausruine in der Oranienburger Straße räumen. Der Besitzer, die Fundus Gruppe, hat den Mietvertrag gekündigt.
Für die Betreiber des Kunsthauses Tacheles in der Oranienburger Straße wird 2008 ein Jahr der Entscheidungen. Der Hauseigentümer, die Kölner Immobiliengruppe Fundus GmbH, kündigte den Mietvertrag zum 31. Dezember 2008. "Ein ganz normaler Vorgang", wie Fundus-Sprecher Johannes Beermann betont. Nach zehn Jahren habe man das Mietverhältnis ordnungsgemäß beendet. "Wir wussten immer, dass dieser Tag kommen würde", sagt auch Tacheles-Vorstandsmitglied Martin Reiter. Schließlich zahle man seit zehn Jahren nur eine symbolische Miete von 50 Cent im Monat. "Wirtschaftlich ist das nicht."
Vor zehn Jahren beendete der von einem Kulturmanager eingefädelte Mietkompromiss einen jahrelangen Streit zwischen den Künstlern, die die Ruine 1990 besetzt und vor der Sprengung gerettet hatten, und dem Eigentümer, der künstlerisches Programm und Untervermietverhältnisse kontrollieren wollte. Der Eigentümer investierte 6 Millionen Euro in Grundsicherungsmaßnahmen, die Künstler übernahmen die Sanierung und durften dafür frei agieren. Seitdem sei das Verhältnis "sehr gut", heißt es aus dem Tacheles.
Und das soll es auch bleiben: Die Künstler wollen nun verhandeln, "um weiterhin günstige Arbeitsplätze für Künstler in Regierungsnähe anbieten zu können", sagt Reiter. Immerhin sei das Tacheles in den vergangenen zehn Jahren zur überregional bekannten Marke für Off-Kultur geworden. In dem Haus befinden sich heute 31 Künstlerateliers, ein Kino sowie das Café Zapata mit Konzertbetrieb und dem berühmten Skulpturengarten. Die Künstler schätzen ihre Chancen auch gar nicht so schlecht ein: Man könne durchaus Miete zahlen.
Bei Fundus heißt es dazu nur: "Die Räume des Tacheles werden auch künftig für Kunst und Kultur genutzt." Man sei dabei, ein Konzept zu entwickeln. Die Ruine steht unter Denkmalschutz und muss laut Bebauungsplan kulturell genutzt werden.
Ein neues Kulturkonzept der Investoren könnte das Flair der Oranienburger Straße jedoch deutlich verändern. Die Tacheles-Ruine mit ihren Schweißwerkstätten und Metallmonstern ist längst ein Berliner Wahrzeichen - und die letzte Alternativinsel inmitten einer geleckten Touristenmeile. Richtig interessant würde es, wenn Fundus jene Pläne für das 30.000 Quadratmeter große Gesamtareal umsetzt, die es seit dem Kauf des Geländes 1998 für rund 2,8 Millionen Euro hegt: das "Quartier am Johannishof" auf der Brache zwischen Oranienburger, Friedrich- und Johannisstraße. Es ist ein Ensemble aus Wohn- und Büroflächen, geplant vom amerikanischen Architekten Andrés Duany im 20er-Jahre-New-York-Stil. 2003 wurde es vom zuständigen Bezirksamt Mitte genehmigt. Dem Bau steht nur noch die Fundus-Gruppe selbst im Weg. Das Unternehmen, dem auch das Hotel Adlon und das Quartier 206 gehören, braucht dafür schätzungsweise 400 Millionen Euro - vor allem aber genügend Interessenten. Bisher hat es daran offenbar gefehlt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!