: Kunst und Wildkräuter gegen Rüben
■ 50 Staatsschützer sollen die Aussaat genetisch veränderter Zuckerrüben neben dem Klinikum in Aachen garantieren
Aachen (taz) – Es war der fünfte „Sonntagsspaziergang“ von Aachen. Und der künstlerisch ergiebigste. Knapp 40 DemonstantInnen zimmerten auf weiter Wiese ein Mahnmal von abgrundtiefer Häßlichkeit – somit sehr augenfällig und deshalb gelungen. Das staunende Publikum gab absurdes Theater: 50 Staatsschützer in Grün, angerückt in Kampfausrüstung, teils hoch zu Roß.
Kampf der dreifach genetisch manipulierten Zuckerrübe! Die soll 26.000fach in den nächsten Tagen hinter dem Klinikum-Monster, gleich neben einem Naturschutzgebiet, ausgesät werden. Solche Freilandversuche gehören allmählich schon zum Alltag. In Aachen findet einer von zwölfen statt, die 1995 in Deutschland angesetzt sind. Rund 2.000 Freilandversuche wird es dieses Jahr auf den Äckern der Welt geben. – Ungewöhnlich an Aachens Rüben ist die dreifache Transgenität: Sie haben ein Resistenzgen gegen die Viruserkrankung der „Wurzelbärtigkeit“, sie sind immun gegen ein Breitbandantibiotikum und gegen „Basta“, ein von Hoechst hergestelltes Totalherbizid. Bei tatsächlicher „Basta“-Resistenz kann der chemische Hammer um so rücksichtsloser eingesetzt werden, weil er dann alle „Schädlinge“ ausradiert – nur die Genrübe nicht. Die Folge sind breitflächige Vernichtung von Wildkräutern, Grundwasserverseuchung, Arteneinfalt und Allergien. Hochschul-Projektleiter Bartsch nennt sein Vorhaben sibyllinisch „ein Wagnis, aber keine Bedrohung“ und spricht kühn von „rein ökologischen Forschungen“.
Dabei lauert die Gefahr überall. Beim ersten Sonntagsspaziergang hatten die VersuchsgegnerInnen Wildkräutersamen ausgestreut – der vorgesehene Acker war damit unbrauchbar. Ein neuer wurde gleich nebenan durch Herbizideinsatz freigelegt, die Schuld für den Frevel bekamen die GegnerInnen zugesprochen. Dann wollte Bartsch seine Rübenfeinde fotografieren. Die verweigerten empört ihr Einverständnis, Bartsch lief davon und stürzte bäuchlings. Diese Live-Performance war der endgültige Grund, daß die Wildkraut-Sabotage zu massiver Gewaltanwendung eskalierte. Jetzt hieß es im Spaziergangsaufruf auch noch: „Es können Mistgabeln mitgebracht werden.“
PS: Das kleine Protest-Häuflein bleibt in Aachen ziemlich allein. CDU und SPD haben keine Einwände gegen die Rübe, solange sie das Projekt „kritisch begleiten“ dürfen. Wegen Gewaltanwendung und Sabotageaktionen haben sich Grüne (Wahlkampf) und BUND (guter Ruf) vorsichtshalber distanziert. Bernd Müllender
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen