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Kunst oder SachbeschädigungFür Kringel kein Verständnis

14 Monate Gefängnis ohne Bewährung: Hamburger Amtsgericht verurteilt den 61-jährigen Sprayer "Oz" wegen Sachbeschädigung.

Noch zuversichtlich: Anwalt Beuth (links) und "Oz" auf dem Weg ins Gericht.

HAMBURG taz | "Oz" muss für 14 Monate ins Gefängnis. Am Freitag verurteilte die Amtsrichterin Birgit Valenta den 61-jährigen Street-Art-Künstler Walter Fischer wegen Sprühens im öffentlichen Raum in elf Fällen. "Wir durften uns schön anhören, wie schön das alles ist, was er macht", sagte Valenta, "worüber wir uns hier aber unterhalten haben, sind Sachbeschädigungen."

Elf Fälle in den vergangenen vier Jahren hatte die Staatsanwalt akribisch aufgelistet, um den bereits mehrfach verurteilten Sprayer erneut vor den Kadi zerren zu können. Sie warf Fischer vor, Tags - also seine unterschriftenartigen Kürzel -, Smileys und Kringel meist auf bereits beschmierte Verteilerkästen, Mülleimer, Brückenpfeiler oder auch Rückseiten von Verkehrsschildern gesprüht zu haben.

Zudem soll er an eine Säule des Tourismus-Aushängeschildes Alsterarkaden wasserseitig fünf Spiralen gemalt haben, die freilich von Land aus nur mit dem Fernglas zu erspähen sind.

Angeklagt war zunächst auch, "Oz" habe eine zerbrochene Gehwegplatte mit Kreide verunstaltet. Geahndet wurde stattdessen, dass Fischer im Stadtteil Altona die Betonwand eines verwahrlosten Weltkriegsbunkers mit einer Wandbemalung versah - sehr zur Freunde diverser Anwohner, die ihn bei der Malerarbeit mit Würstchen versorgten.

Unter Hinweis auf Grundgesetz und höchstrichterliche Rechtssprechung hatten Fischers Verteidiger Andreas Beuth und Martin Kowalske auf eine Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Eigentumsrecht hingearbeitet. Für Richterin Valenta kam derlei aber nicht infrage: Es gebe nun mal das Graffiti-Gesetz, "und das kommt nicht von einem Diktator oder Medienboss, sondern vom Bundestag", führte sie aus.

Es sei nicht vertretbar, wenn jemand einerseits sage: "das passt mir, die Unterstützung nehme ich an", so Valenta mit Blick auf Fischers Bezug von Hartz-IV-Leistungen, "anderseits: das passt mir nicht, da halt ich mich nicht dran".

Sie selbst wisse nicht, ob die "Oz"-Sprayereien Kunst seien, "das ist mir auch egal - Kunst ist Wertungssache", sagte Valenta. "Doch wenn Kunst die Eigentumsrechte verdrängen dürfte, dürften Eigentümer sie nicht einmal mehr entfernen." Und sie wisse eben auch nicht, was die Oz-Anhänger sagen würden, sprühte irgendwer überall "NPD" hin. Die Verteidigung hat Rechtsmittel angekündigt. KVA

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22 Kommentare

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  • RB
    Rainer Brase

    Ich finde die Argumentation der Richterin im Vorfeld sehr bemerkenswert. "Kunst darf sich nicht über das Eigentumsrecht hinwegsetzen", sagte Sie. Dann muss man aber auch die schmierigen Herrschaften, die Hamburg die Elbphilharmonie eingebrockt haben schnellstens hinter Gitter bringen. Die haben sich wirklich über das Eigentumsrecht der Hamburger Bürger hinweggesetzt und machen sich weiterhin schamlos auf Kosten der Bürger die Taschen voll. Aber stattdessen sperrt man lieber einen OZ ein. Der kann sich doch eh nicht wehren. Wie war das nochmal mit der Klassenjustiz? Ach so,- die gibt's nicht mehr. Verstehe!

  • DD
    dr dom

    ok, dann müssen aber auch erstmal alle autofahrer in den knast, durch die abgase werden nicht nur gebäude beschädigt -->sachbeschäd. , sondern auch menschen krank gemacht und tot gefahren -->Körperverletzung, Totschlag - sowie akustische und optische Umweltverschmutzung! Ferner die ganzen Glas-Beton-Leben totmachen-Bauten hey, das gehört auch verurteilt. Zack, entartete Kunst! Knast! Ein bisschen Augenmaß bitte.

  • FJ
    Franz J.

    Ein richtiges Urteil mit sinnvoller und sehr gut nachvollziehbarer Begründung -- zumindest lassen die zitierten Stellen darauf schließen.

  • T
    Tim

    Man müsste auch mal schauen inwieweit damit die Umwelt geschädigt wurde. Vielleicht können ja die Grünen da mal eine Prüfung veranlassen. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen das kleine Insekten angesprüht wurden die dann jämmerlich gestorben sind.

  • S
    Stefan

    Es sei nicht vertretbar, wenn jemand einerseits sage: "das passt mir, die Unterstützung nehme ich an", so Valenta mit Blick auf Fischers Bezug von Hartz-IV-Leistungen, "anderseits: das passt mir nicht, da halt ich mich nicht dran".

     

    Da zeigt diese Richterin, wes Geistes Kind sie ist. Wi-der-lich.

  • P
    Picho

    Endlich! Ich hoffe, dass das Urteil Vorbildcharakter hat. Kann dieses Geschmiere meinen ausländischen Gästen kaum als Kalligrafie erklären.+

  • K
    Kulturhistoriker

    Was soll man zu so einem Urteil denn noch sagen. Es ist doch einfach traurig, dass man sich an Kreisen Punkten und Smileys so stören kann. Die Tags von Oz sind doch eigentlich schon ein fester Teil der Hamburger Kulturszene und aus dem Straßenbild ebensowenig wegzudenken, wie sonst alles, was man so in Hamburg sehen muss, wie moderne Glasbeton Bauten ohne Ende, Parks mit auf 13mm gestutzten Rasenflächen unterbrochen von Betonklötzen und 1-2 dürren Bäumchen dazwischen, riesige kulturelle Prestige Bauten einerseits und zutode gesparte Museen und Theater andererseits, leerstehende Bürogebäude auf der einen Straßenseite, neu entstehender Leerstand auf der anderen Seite, neue Eigentumswohnungen mit Mietpreisen ab 14€/m2 wo vorher noch bezahlbarer Wohnraum zu finden war, neue Designerläden anstelle von kleinen Eisenwarengeschäften...

    Man kann sagen was man will, aber ein solches Urteil zeigt doch einfach die gesamte derzeitige Situation in Hamburg wieder.

  • T
    Thomas

    Richtig so! Diese Schmierereien sind keine Kunst! Ich musste an meiner Wand auch öfters Hakenkreuze wieder entfernen, oder soll ich das akzeptieren?

  • MW
    Mich wundert

    dass hier nicht der aberwitzige vergleich zwischen OZ und banksy gezogen wurde. der eine mit idee, mit plan und talent, der andere in hamburg, mit maximal schwarz und silber und den immer zwei selben zeichen, ohne jedes talent für irgendwas, nur mit viel zeit, die ihm hartz 4 bietet.

  • JC
    Joshua Chris

    Liebster Herr von Appen,

     

    ich warte nun gespannt auf die Bilder Ihrer Wohnung. Sicher haben Sie doch dem genialsten Künstler, dessen Recht zur Kunst unbedingt die Rechte aller anderen Menschen übertreffen muss, Oz gebeten, Ihre Wände zu gestalten. Falls nicht: bitte halten Sie sich mit Äußerungen zurück.

  • DV
    Die Vernunft siegt

    Und die Argumentation ist vollkommen logisch.

     

    Rechtsmittel kann man einlegen, muss man wohl auch als Verteidiger, man will ja weiter Geld von der Prozesskostenbeihilfe haben, aber inhaltlich ist dem kaum etwas entgegenzusetzen.

  • RB
    Rainer Brase

    Ich finde die Argumentation der Richterin im Vorfeld sehr bemerkenswert. "Kunst darf sich nicht über das Eigentumsrecht hinwegsetzen", sagte Sie. Dann muss man aber auch die schmierigen Herrschaften, die Hamburg die Elbphilharmonie eingebrockt haben schnellstens hinter Gitter bringen. Die haben sich wirklich über das Eigentumsrecht der Hamburger Bürger hinweggesetzt und machen sich weiterhin schamlos auf Kosten der Bürger die Taschen voll. Aber stattdessen sperrt man lieber einen OZ ein. Der kann sich doch eh nicht wehren. Wie war das nochmal mit der Klassenjustiz? Ach so,- die gibt's nicht mehr. Verstehe!

  • DD
    dr dom

    ok, dann müssen aber auch erstmal alle autofahrer in den knast, durch die abgase werden nicht nur gebäude beschädigt -->sachbeschäd. , sondern auch menschen krank gemacht und tot gefahren -->Körperverletzung, Totschlag - sowie akustische und optische Umweltverschmutzung! Ferner die ganzen Glas-Beton-Leben totmachen-Bauten hey, das gehört auch verurteilt. Zack, entartete Kunst! Knast! Ein bisschen Augenmaß bitte.

  • FJ
    Franz J.

    Ein richtiges Urteil mit sinnvoller und sehr gut nachvollziehbarer Begründung -- zumindest lassen die zitierten Stellen darauf schließen.

  • T
    Tim

    Man müsste auch mal schauen inwieweit damit die Umwelt geschädigt wurde. Vielleicht können ja die Grünen da mal eine Prüfung veranlassen. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen das kleine Insekten angesprüht wurden die dann jämmerlich gestorben sind.

  • S
    Stefan

    Es sei nicht vertretbar, wenn jemand einerseits sage: "das passt mir, die Unterstützung nehme ich an", so Valenta mit Blick auf Fischers Bezug von Hartz-IV-Leistungen, "anderseits: das passt mir nicht, da halt ich mich nicht dran".

     

    Da zeigt diese Richterin, wes Geistes Kind sie ist. Wi-der-lich.

  • P
    Picho

    Endlich! Ich hoffe, dass das Urteil Vorbildcharakter hat. Kann dieses Geschmiere meinen ausländischen Gästen kaum als Kalligrafie erklären.+

  • K
    Kulturhistoriker

    Was soll man zu so einem Urteil denn noch sagen. Es ist doch einfach traurig, dass man sich an Kreisen Punkten und Smileys so stören kann. Die Tags von Oz sind doch eigentlich schon ein fester Teil der Hamburger Kulturszene und aus dem Straßenbild ebensowenig wegzudenken, wie sonst alles, was man so in Hamburg sehen muss, wie moderne Glasbeton Bauten ohne Ende, Parks mit auf 13mm gestutzten Rasenflächen unterbrochen von Betonklötzen und 1-2 dürren Bäumchen dazwischen, riesige kulturelle Prestige Bauten einerseits und zutode gesparte Museen und Theater andererseits, leerstehende Bürogebäude auf der einen Straßenseite, neu entstehender Leerstand auf der anderen Seite, neue Eigentumswohnungen mit Mietpreisen ab 14€/m2 wo vorher noch bezahlbarer Wohnraum zu finden war, neue Designerläden anstelle von kleinen Eisenwarengeschäften...

    Man kann sagen was man will, aber ein solches Urteil zeigt doch einfach die gesamte derzeitige Situation in Hamburg wieder.

  • T
    Thomas

    Richtig so! Diese Schmierereien sind keine Kunst! Ich musste an meiner Wand auch öfters Hakenkreuze wieder entfernen, oder soll ich das akzeptieren?

  • MW
    Mich wundert

    dass hier nicht der aberwitzige vergleich zwischen OZ und banksy gezogen wurde. der eine mit idee, mit plan und talent, der andere in hamburg, mit maximal schwarz und silber und den immer zwei selben zeichen, ohne jedes talent für irgendwas, nur mit viel zeit, die ihm hartz 4 bietet.

  • JC
    Joshua Chris

    Liebster Herr von Appen,

     

    ich warte nun gespannt auf die Bilder Ihrer Wohnung. Sicher haben Sie doch dem genialsten Künstler, dessen Recht zur Kunst unbedingt die Rechte aller anderen Menschen übertreffen muss, Oz gebeten, Ihre Wände zu gestalten. Falls nicht: bitte halten Sie sich mit Äußerungen zurück.

  • DV
    Die Vernunft siegt

    Und die Argumentation ist vollkommen logisch.

     

    Rechtsmittel kann man einlegen, muss man wohl auch als Verteidiger, man will ja weiter Geld von der Prozesskostenbeihilfe haben, aber inhaltlich ist dem kaum etwas entgegenzusetzen.