: Kunst in den Nischen
■ Edeltraut Rath bestückt letzte Graphothek-Ausstellung: Ein Abgesang
ast 139 Ausstellungen, fünf Umzüge in 20 Jahren und diverse Sparrunden – jetzt ist Schluß. Die Graphothek macht dicht – zumindest in der bisherigen Form. Die Mittelkürzungen bei der Bremer Stadtbibliothek macht natürlich auch vor der ihr angeschlossenen „Verleihstation für Kunst“nicht halt, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten Arztpraxen, Kleinbetriebe und Privathaushalte mit geliehener Kunst versorgte.
„Jetzt heißt die Devise: überwintern“, lautete anläßlich der letzten Ausstellungseröffnung in den Graphothek-Räumen im Keller der Weserburg der Kommentar von Dr. Hans-Joachim Manske, der als Leiter der Städtischen Galerie inzwischen über die Weiterführung des Graphotek-Konzepts unter neuer Trägerschaft und in den Räumen seiner Institution verhandelt. Wobei er gleich klarstellte, daß sich der bisherige Ausstel-lungsbetrieb der Graphothek wohl kaum aufrecht erhalten läßt. Was freilich kein allzu großer Verlust ist. Denn das, was Graphotek-Leiter Gerd-Peter Patz in seiner Eröffnungs- und gleichzeitigen Abschiedsrede euphemistisch als „große Herausforderung für alle Beteiligten“bezeichnete, nämlich in diesen Kellerräumen im Gebäude der Weserburg überhaupt Ausstellungen zu veranstalten, ist vielmehr eine wahre Zumutung. Sowohl für die KünstlerInnen als auch für das Publikum.
Man fragt sich, warum z.B. eine Künstlerin wie Edeltraut Rath – sie bestreitet die letzte Ausstellung der Graphotek – darauf eingeht, ihre Bilder in Fensternischen zu plazieren, als müßten sie sich schämen, und warum sie nichts dagegen unternimmt, daß ihre Werke nahtlos in nicht zur Ausstellung gehörige Depotbestände übergehen, von denen Regale und Boden überquellen. Eine solche Hängung muß jede Kunst zur Kleinkunst degradieren. Der von der Graphotek verfolgte Anspruch, Kunst zu vermitteln, schlägt hier um in biedere Bildungsbeflissenheit, der es um nichts weiter zu tun ist, als die humanistischen Ideale ästhetischer Bildung in kleinbürgerlicher Erbauungsmanier unters Volk zu bringen – auf welche Weise auch immer. Ein Szenario, das für kritische Künstler wie Jeff Koons oder Edward Kienholz ein gefundenes Fressen wäre, ist doch die gesamte Szenerie derartiger „Kunstpräsentation“eine beinahe gelungenere (wenn auch ungewollte) Persiflage, als deren Kitschinszenierungen und Environments es je sein könnten.
Dabei sind die jetzt gezeigten Bilder von Edeltraut Rath durchaus in der Lage, in einem anderen Kontext Wirkungen zu entfalten, die über die hier spürbare dekorative Anmutung hinausgehen. Ihr Rückgriff auf das Ornament, von Manske treffend als „Variante innerhalb der Neuen Geometrie“und als „postmoderne Antwort auf den Konstruktivismus“bezeichnet, bestechen in erster Linie durch eine nicht eben häufig anzutreffende Farbintensität, die durch vielfältige Schattierungen und Nuancierungen im Verbund mit der seriellen Häufung der graphischen Formen von so suggestiver Kraft ist, daß man sich wünscht, die Tableaus in einer von allen störenden Einflüssen befreiten Umgebung wiederzusehen. Was diese Bilder – gerade die besonders kleinformatigen unter ihnen – brauchen, ist die kom-plementäre Weite einer ansonsten leeren Wand. Doch gerade dies hat die Enge der Graphotek am allerwenigsten zu bieten. Deswegen werden Edeltraut Raths teils an maurische Wandverkleidungen, teils an das Gitterwerk römischer Mosaikfußböden und teils an Fahnen oder Stoffmuster erinnernde Gemälde hier wohl nicht auf mehr Verständnis hoffen dürfen als ein Picasso in einer Zahnarztpraxis, und das heißt: eine Degradierung zur Dekoration. Was in einem Haus für Leihkunst freilich zur Natur der Sache gehört.
Moritz Wecker
Edeltraut Rath, Bilder und Bildobjekte, in der Graphotek, Weserburg, Teerhof 21, bis 11.4.
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