Kunst, Zeitgeist etc.: Welsche Tücke
■ Vorwürfe gegen Ausstellungsmacher Christos Joachimides
So schnell kann's gehen: gestern hui, heute pfui. Jetzt hat es Christos Joachimides erwischt, den umtriebigsten Ausstellungsmacher, den Berlin je hatte. Ohne seine „Zeitgeist“-Schau (1982), ohne die Ausstellungen der Sammlung Sonnabend (1988) und „Metropolis“ (1991) hätte es in der hiesigen Kunstlandschaft mau ausgesehen. Und seine Zeitgeist Gesellschaft zur Förderung der Künste durfte denn auch stets auf Unterstützung von offizieller Seite hoffen.
Insbesondere der Stiftungsrat der Klassenlotterie hat Joachimides immer wieder die nötigen Millionen für seine Projekte zugesteckt, und alle fanden es gut. Nun aber hat sich der Wind gedreht. Stein des Anstoßes: die seit zwei Jahren verschobene Ausstellung „Das 20. Jahrhundert“. Gestern druckte der Tagesspiegel einen geharnischten, mit MZ gezeichneten Kommentar zum Thema. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die stellvertretende Chefredakteurin Monika Zimmermann, und die brachte Ungeheuerliches ans Licht. Vom „Zeitgeist-Skandal“ ist die Rede, von Mißwirtschaft und Roßtäuscherei. Kooperationspartner wie das New Yorker Guggenheim-Museum seien abgesprungen, wichtige Leihgaben mithin in Frage gestellt. Ergo habe sich Joachimides die bislang erhaltenen 14,4 Millionen Mark unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen.
Schlimm das, keine Frage, selbst wenn ein Theater wie das Berliner Ensemble mit dieser Summe kaum mehr als ein halbes Jahr auskommen würde. Aber einmal in Rage, brannten bei der Kommentatorin gleich die Sicherungen durch. Zustande gekommen sei der Sündenfall nur, weil Christos Joachimides, gebürtiger Grieche und seit Jahrzehnten in Berlin ansässig, eine ganz spezielle Eigenschaft aufweist: „levantinische Schlitzohrigkeit“. Da sieht man es mal wieder, diese Ausländer, nix als welsche Tücke. Ulrich Clewing
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