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„Kunst“-Schiff in NotFaxattacken aufs Kulturamt

■ Die Mannschaft der Rostocker „MS Stubnitz“ wehrt sich gegen die Schließung

„MS Stubnitz“, das auf einem Motorschiff (MS) der ehemaligen Fischfangflotte der DDR installierte Rostocker Kulturzentrum, ist in Not. Wegen angeblicher Sicherheitsmängel im allgemeinen und einem fehlenden zweiten Fluchtweg im besonderen hat das Hafenwirtschaftsamt Rostock verfügt, daß ab Februar auf dem Schiff keine Veranstaltungen mehr stattfinden dürften. Die Anordnung kam zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: Eben waren per Beschluß der Bürgerschaft Projektgelder in Höhe von 100.000 Mark bewilligt worden.

Nicht nur für die Betreiber der „MS Stubnitz“, die seit 1991 aus dem schrottreifen Fischfänger ein weit über Rostock hinaus bekanntes „Kunstraum-Schiff“ gemacht haben, ist dies eine Katastrophe. Zu den Leidtragenden gehört auch das mit kulturellen Einrichtungen dieser Art nicht gerade reich gesegnete, überwiegend junge mecklenburg-vorpommersche Publikum. Die Konzerte und Kunstaktionen auf der „MS Stubnitz“ garantierten zumindest teilweisen Anschluß an das, was in der internationalen Offszene gerade läuft.

Den hansestädtischen Behörden freilich war das Treiben im Stadthafen schon lange ein Dorn im Auge. Nun aber, da dem fremden Haufen plötzlich eine runde Summe überwiesen werden sollte, schien die Zeit reif, die Dienstvorschriften doch noch einmal genauer anzuschauen. Zufälle gibt's: Am 29. Januar beschloß die Bürgerschaft den Haushalt 1997, der unter anderem besagte Zahlung an die „MS Stubnitz“ vorsieht. Am 30. Januar überbringt ein Mitarbeiter des Kulturamtes einen Brief des Leiters des Hafenwirtschaftsamtes, Karl Ernst Eppler, mit der Ankündigung, das Schiff zum 7. Februar „zu versenken“, so „Stubnitz-Kapitän“ Urs Blaser.

Doch die „Stubnitz“-Macher wehren sich: Zuerst organisierten sie ein Happening und erklärten das Rostocker Rathaus nach einer ausführlichen Begehung ihrerseits wegen gravierender Sicherheitsmängel kurzerhand für gesperrt. Das Märzprogramm wurde in das sogenannte Port- Center verlegt, das glücklicherweise über unkomplizierte Mitarbeiter, eine „Kunstmeile“ und ganz offensichtlich auch über einen zweiten Notausgang verfügt.

Und dann starteten sie das Unternehmen „faxattack“: Seitdem quellen aus den Faxgeräten von Oberbürgermeister Arno Pöker – (0381) 381 19 03 –, Kulturamtsleiter Lutz Nöh – (0381) 363 61 – und Karl Ernst Eppler – (0381) 466 92 14 – meterweise Botschaften, Argumentationen, Anfragen von besorgten „Stubnitz“-Sympathisanten. „Daß die Aktion so ein Erfolg wird, hätten wir nicht gedacht“, sagt „Stubnitz“-Vertreter Thomas Bochmann. Da die Leute von der „MS Stubnitz“ anfangs auch konstruktive Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit an Bord gemacht haben, dürfte sich die Lage für alle Beteiligten bald wieder normalisiert haben. Vorausgesetzt, die Verwaltung hat bis dahin eingelenkt und das Schiff wieder freigegeben. Vielleicht sollte man da von Zeit zu Zeit mal nachfragen. Per Fax, versteht sich. Ulrich Clewing

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