Kundus-Untersuchungsausschuss: "Das Ausmaß war mir nicht bewusst"
In Kundus haben alle Beteiligten Schuld auf sich geladen, sagt Paul Schäfer, der als Obmann für die Linken im Untersuchungsausschuss sitzt.
taz: Herr Schäfer, welche Information aus dem Untersuchungsausschuss zum Luftangriff von Kundus hat Sie am meisten überrascht?
Paul Schäfer: Am meisten überrascht war ich von der engen Verzahnung des normalen Bundeswehrkontingents und der ominösen Task Force 47, die im Kern von geheim agierenden Spezialkräften gebildet wird. Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Kommando Spezialkräfte (KSK) in Kundus aktiv ist, war mir das Ausmaß der Verquickung so nicht klar.
Ist es denkbar, dass Oberst Georg Klein, der den Befehl zum Bombenabwurf gab, nur nützlicher Trottel in einer Talibanjagd-Operation des KSK war?
Oberst Klein war als Kommandoführer verantwortlich und hat die Verantwortung auch selbst übernommen. Aus seiner Sicht war es nötig - weil die Bundeswehr mehr und mehr in Bedrängnis geraten war - zum großen Schlag auszuholen. Das passte zu den Plänen des KSK, die lokale Taliban-Führung erwischen zu wollen. Aber Schuld haben alle Beteiligten auf sich geladen.
Arbeiten die Fraktionen im Ausschuss in ihrer Fragestrategie mit- oder gegeneinander?
Paul Schäfer ist verteidigungspolitischer Sprecher der Linken im Bundestag und Obmann im Kundus-Untersuchungsausschuss.
Die Opposition hakt schon stärker nach, als es die Regierungsfraktionen tun. Doch gab es bei der Vernehmung von Oberst Klein ein gutes Zusammenspiel.
Denken Sie, dass es gelingen wird, sachlich alles aufzuklären, bevor der Ausschuss sich politisiert und lahmlegt?
Was das Geschehen vor Ort anbetrifft und die unmittelbare Verbindung zur Führung des Einsatzes etwa in Kabul, Potsdam und Berlin, ist noch ein großes Feld zu beackern. Hinzu kommt der eigenständige Untersuchungskomplex, in dem es um die Rolle der Bundesregierung gehen wird. Da wird zu klären sein, wie es zum dramatischen Meinungswandel des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg kam - von "militärisch angemessen" zu "nicht angemessen".
Die nächste Sitzung des Untersuchungsausschusses ist am 25. Februar. Im März sollen schon die Politiker, namentlich Guttenberg, gehört werden. Sind die vielen Fragen, die sich allein aus Kleins Aussage ergeben, bis dahin aufklärbar?
Das wird stark davon abhängen, ob die nächsten Zeugen dem Vorbild Kleins folgen und ausführlich reden - oder ob sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht