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Kummerquartier Kattenturm

■ „Neue Bescheidenheit“: Wenig Geld für die Nachbesserung von Großwohnanlagen

Ähnlich wie Tenever hat Kattenturm bei den restlichen BremerInnen ein schlechtes Image: Kahle Hochhaussiedlungen im Waschbeton-Stil, hohe Arbeitslosigkeit, viel zu wenig Angebote für Kinder und Jugendliche. 1991 endlich wurde der Stadtteil zum Sanierungsgebiet erklärt - 25 Jahre nach der Erbauung. Allerdings halten viele KattenturmerInnen einen Abriß mancher Gebäude für sinnvoller als die schlichte „Nachbesserung“ durch Schönheitsreparaturen, erzählt Ortsamtsleiter Siegmund Eibisch.

Die jämmerliche Ladengasse beispielsweise mit dem Charme renovierungsbedürftiger Intershops, wäre erstes Ziel der Abrißbirne, gleich gefolgt von der FußgängerInnenbrücke über die vierspurige Alfred-Faust-Straße. Die war einst für Höheres vorgesehen: Unter ihr hinweg sollte der Verkehr ins Zentrum brausen. Heute allerdings ist diese Überquerung mangels Verkehr so überflüssig wie ein Kropf – die KattenturmerInnen überqueren die Straße lieber unter der Brücke.

Trotz der Skepsis der KattenturmerInnen gegenüber der „Nachbesserung“ haben sich mittlerweile viele engagiert: Planungsgruppen erstellen Mängellisten und arbeiten mit Ämtern und Baugesellschaften Verbesserungsvorschläge aus. Denn: „Kattenturm darf in Bremen nicht länger als schlechte Adresse gelten“, spricht Ortsamtsleiter Eibich für die Menschen am Ende der Straßenbahnlinie Nummer 1.

Wie dieses Ziel allerdings erreicht werden soll, ist noch offen: Vorerst müssen die KattenturmerInnen sich in „neuer Bescheidenheit“ üben – diese Ansicht vertrat jedenfalls Bausenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte in der vergangenen Woche: Nach der Kürzung der Bundesmittel für die Nachbesserung stehen bis 1997 für alle strukturschwachen Großsiedlungen Bremens nur 300.000 Mark jährlich zur Verfüng. Die rund14 Millionen Mark Bedarf, die Kattenturm als Spitzenreiter im Wettlauf der Stadtteile um die Sanierungsmark angemeldet hatte, sind vorerst perdu.

Darin enthalten waren jedoch nicht nur Straßenrückbau und Abriß von Bauten – sondern auch Vorhaben, die den Hochhäusern ein besseres Aussehen bringen sollten und ihren BewohnerInnen mehr Wärme, im wahrsten Sinne des Wortes: durch Begrünung, angebaute Wintergärten und Wärmedämmung. In Wohnhöfen sollten sich die NachbarInnen näher kommen: „Das Wohnen soll nicht erst hinter der Wohnungstür beginnen“, sagt Gudrun Junghans, im Ortsamt zuständig für die Nachbesserung.

Werden diese Projekte nun dem Rotstift zum Opfer fallen? „Nein“, meint Gudrun Junghans. Beschwören will sie das aber nicht. „Allerdings müssen wir die Prioritäten richtig setzen“. Der nächste Schwerpunkt ist der Ersatz für den alten Jugendtreff, der schon vor eineinhalb Jahren abgebrannt ist. „Denn von 100 KattenturmerInnen sind 22 unter 15 Jahre alt, aber für sie gibt es im Stadtteil so gut wie nichts.“

Auch mit der BSAG will man kleine Brötchen backen: An ein Toilettenhäuschen für die StraßenbahnerInnen an der Haltestelle Kattenturm Mitte will man einen Kiosk anbauen. Das Café allerdings, das sich die Kattenturmer Frauen wünschen, um nicht in einer der zwei Kneipen sitzen zu müssen – das wäre Sache eines privaten Investors. Und der ist noch lange nicht in Sicht.

Eva Rhode

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