Kulturpolitik: Der Geist der Kaufleute
Hamburgs Museumsstiftung hat einen neuen Chef. Der Jurist Börries von Notz soll die kulturhistorischen Museen nach vorn bringen. Andere Städte betrauen damit Kulturwissenschaftler
HAMBURG taz | Wie regiert man ein Museum? Oder gleich fünf davon oder zehn? Setzt man einen allgewaltigen Chef darüber – oder schafft lieber ein Gremium Gleichberechtigter, die jedes Detail basisdemokratisch diskutieren? Zugegeben: Das ist schwarzweiß gemalt, und der Königsweg ist keins von beiden. Trotzdem tun sich Norddeutschlands Politiker erstaunlich schwer damit, einen Mittelweg zu finden. Das zeigt auch die neueste Hamburger Personalie: Börries von Notz, jüngst gekürter Alleinvorstand der dortigen Stiftung Historische Museen.
Diese Stiftung besteht inzwischen aus drei von anfangs noch vier Häusern – dem Altonaer Museum, dem Museum der Arbeit und jenem für Hamburgische Geschichte. Und sie ist in den letzten Jahren einigermaßen in Verruf geraten angesichts ihrer Unterfinanzierung, der das Altonaer Museum im Jahr 2010 beinahe zum Opfer gefallen wäre. Hinzu kommt, dass sich die Museen gemeinsam profilieren sollen, aber zugleich auch jedes für sich – und keiner so recht weiß, wie das gehen soll.
Das Altonaer Museum hat dank lautstarker Bürgerproteste überlebt, aber die strukturellen Probleme bleiben: Die Stiftung ist nach wie vor unterfinanziert und profilschwach. Ursache sind die ständig wechselnden Konzepte einer zuständigen Politik, in der auf große Pläne stets nur furchtsame Taten folgen. Hieß es da zunächst, fürs Image brauche man einen managenden, PR-affinen Stiftungsvorstand, merkten die Zuständigen bald: So was kostet ja Geld. Kurzerhand wurden die Direktoren der Stiftungsmuseen zum Gemeinschafts-Vorstand erklärt.
Als sich wieder nichts änderte, erkor man die Chefin des Museums der Arbeit, Kirsten Baumann, zur alleinigen Entscheiderin – die aber konnte sich nicht gegen die anderen Leitungskräfte durchsetzen. Auch ergaben sich Interessenskonflikte aus der Doppelfunktion, einerseits die Stiftung zu leiten, andererseits das eigene Haus. Als dann auch ein bei ihr bestelltes Innovationskonzept in den Schubladen der Kulturpolitiker verschwand, warf Baumann hin.
Derzeit verantwortet Helmut Sander die Geschicke der Hamburger Stiftung: Der Diplom-Verwaltungswirt ist den Direktoren gegenüber weisungsbefugt, von deren Arbeit er indes wenig versteht. Ende Januar 2014 geht er in Rente – was für Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) eine wunderbare Chance sein könnte, jemanden einzustellen, der auch inhaltliche Ausrichtung betreibt. Der sich beispielsweise überlegt, was die drei Museen gemeinsam haben und was sie trennt. Wie sich die gegenseitige Konkurrenz minimieren lassen könnte und was an Kooperation so alles möglich wäre – über ein gemeinsames Logo hinaus.
Gefallen ist die Wahl auf den Rechts- und Staatswissenschaftler Börries von Notz, seit 2008 kaufmännischer Geschäftsführer des Jüdischen Museums in Berlin und dort zuständig für Finanzen, Personal, Steuern, Verträge, Marketing und Fundraising. Zu den Gründen für seinen Wechsel nach Hamburg will sich Notz, der in Berlin einen unbefristeten Vertrag hat, nicht äußern. Von den Qualifikationen, die in der Hamburger Ausschreibung genannt werden, erfüllt er zwei wichtige nicht: Er hat weder ein geisteswissenschaftliches noch ein betriebswirtschaftliches Studium absolviert.
Andererseits nennt die Anzeige des Hamburger Senats vor allem Soft Skills, das „umsichtige Begleiten von Veränderungsprozessen“ etwa – die Beschreibung eines durchsetzungsfähigen, kreativen Kopfes sieht anders aus. So offenbart die Entscheidung für Notz nicht nur eine Scheu davor, den amtierenden Museumsdirektoren auf die Füße zu treten. Sie zeugt auch von der Hamburger Neigung, über das Inhaltliche manches andere zu stellen – am liebsten das Kaufmännische.
Wie es anders geht, zeigt im Norden beispielsweise Schloss Gottorf: Den Vorstand der zehn Häuser umfassenden Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen bilden ein kaufmännischer und ein wissenschaftlicher Direktor. Allerdings ist diese Doppelspitze den Chefs der anderen Abteilungen gegenüber nicht weisungsbefugt, hat also keine echte Macht. Die Abteilung für Kunst- und Kulturgeschichte übernahm zum 1. September übrigens – Kirsten Baumann.
Noch durchdachter wirkt die Lübecker Lösung: Auch dort sind zehn Häuser in einer Stiftung vereint, und auch dort existiert ein zweiköpfiger Vorstand mit künstlerischer und kaufmännischer Kompetenz. Und hier gab Hans Wißkirchen mit Amtsantritt seinen Chefposten beim Buddenbrookhaus auf – das war politisch gewollt: Man wollte vermeiden, dass der künstlerische Vorstand der Gesamtstiftung zugleich deren Wohl und auch jenes seines eigenen Museums im Blick haben muss.
Jetzt ist Wißkirchen den Museumschefs überstellt, mischt sich aber ins laufende Geschäft kaum ein. Er koordiniert die Pläne der einzelnen Häuser und überwacht ansonsten Großprojekte, etwa den Umbau des St.-Annen-Museums. Diese Variante ist zwar personalintensiver und damit teurer als das Vorgehen in Hamburg und Gottorf – aber sie scheint zu funktionieren.
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