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KulturpolitikBe Humboldt, be Berlin

Kultursenator Müller will im Humboldtforum Berlins Historie als Ideengeschichte zeigen.

Erster Aufschlag als Kultursenator: Michael Müller (links) Bild: DPA

Nach 100 Tagen im Amt ist Michael Müller ein Aufschlag als Kultursenator gelungen: Seine Idee, im Humboldtforum künftig eine Ausstellung zur Berliner Geschichte zu zeigen, sorgt für Aufregung in der Stadt. Nicht nur bei der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB), die im ersten Stock die Multimedia-Ausstellung „Welt der Sprachen“ plante und nun plötzlich ausgebootet ist.

„Wir finden es schade, dass diese Entscheidung so gefallen ist“, sagte ZLB-Direktor Volker Heller am Dienstag. Man habe seit 2011 „ein interessantes Konzept für das Humboldtforum entwickelt, das sich sehr gut in diesen Ort des Dialogs der Kulturen eingepasst hätte“. Rund 500.000 Euro hat die ZLB nach eigenen Angaben bisher in die Konzeptentwicklung investiert – davon 300.000 Euro aus EU-Strukturförderungsmitteln, die nun wohl zurückgezahlt werden müssen. Auch Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität, die 1.000 Quadratmeter im Humboldtforum nutzen wird, kritisiert Müllers Abwendung vom ZLB-Konzept: „Es hatte Gründe, in einem Haus, das sich um Weltkultur drehen soll und den Namen Humboldt trägt, das Thema Sprache mit zu thematisieren. Ich kann mir ein Humboldtforum ohne das Thema Sprache nicht vorstellen“, sagte Olbertz am Wochenende im Deutschlandradio Kultur.

Müller will nun den Großteil der 5.000-Quadratmeter-Fläche, die das Land Berlin im Humboldtforum zur Verfügung hat, mit einer Art Ideengeschichte Berlins bespielen. Das Placet des Bauherrn hat er offenbar: Manfred Rettig, Vorsitzender der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum, der anfangs noch vor Planänderungen an dem Großprojekt gewarnt hatte, begrüßte am Dienstag die neuen Pläne: „Ich finde das Konzept, Geschichte multimedial erlebbar und anschaulich zu machen, gut“, sagte er der taz. Bei einem Treffen hätten ihm Müller und sein Kulturstaatssekretär Renner glaubhaft versichert, dass die Umplanung baulich lediglich eine „Neumöblierung“ bedeute und weder Umplanungen noch Mehrkosten verursache. „Ich freue mich jetzt vor allem über den frischen Wind für das Projekt Humboldtforum“, so Rettig.

„Bisher hatte man nicht das Gefühl, dass sich Berlin sonderlich für die Eigenvorhaben des Landes im Humboldtforum interessiert“, sagte auch Sabine Bangert, kulturpolitische Sprecherin der Grünen. Dass ein klammheimlich am bisherigen Projektpartner vorbei erarbeitetes Konzeptpapier nun die ultimative Lösung sein solle, bezweifelte sie. Und äußerte scharfe Kritik an der Art, wie Müller das Papier präsentierte. „So geht man nicht mit Kulturschaffenden um, schon gar nicht bei einem Projekt, das sich der Idee des Dialogs verschrieben hat“, sagte sie.

Müller hatte am Montag im Kulturausschuss ein achtseitiges Konzeptpapier mit dem Titel „Welt-Stadt-Berlin“ präsentiert, das seine Senatsverwaltung erarbeitet hatte. Die Ausstellung biete „mehr, als eine Bibliothek jemals hätte darstellen können“, heißt es darin. Die Idee geht offenbar zurück auf einen Workshop, zu dem vor einigen Wochen die Kulturverwaltung Museumsexperten und die Veranstaltungsagentur Kulturprojekte Berlin eingeladen hatte – aber nicht die ZLB als bisherige Nutzerin. Das Ausstellungskonzept sieht vor, Berlin als „Rom der Zeitgeschichte“ zu präsentieren. Auf 4.000 Quadratmetern soll aktiv erlebbar gemacht werden, „was Berlin zur Weltstadt werden ließ“. Kunst und Wissenschaft, Migration, Krieg und Teilung, Diktatur der Freiheit – Berlin als Mikrokosmos, in dem sich der im Stadtschloss gezeigte globale Makrokosmos spiegeln soll.

Den Auftakt soll eine Sonderausstellung machen, mit deren Ausarbeitung wurden die landeseigene Kulturprojekte Berlin GmbH beauftragt. Diese bewiesen mit Projekten wie der Lichtgrenze zum Mauerfalljubiläum, „dass sie unsere Stadt erzählen können“, heißt es im Papier.

Insgesamt 5.750 Quadratmeter werden also im Humboldtforum um die Geschichte Berlins kreisen – ein nicht unbeträchtlicher Teil für ein Museum, das sich doch von einer eurozentristischen Perspektive abwenden wollte. Im Erdgeschoss des Neubaus, der 2019 eröffnen soll, wird eine Dauerausstellung zur Geschichte des Schlossplatzes zu sehen sein. Dazu kommen die „archäologischen Keller“ mit Resten des alten Schlosses. Und jetzt auch noch eine Dauerausstellung, die Zeitgeschichte durch die Berliner Brille präsentiert? Es wird viel Fingerspitzengefühl brauchen, um am Schlossplatz den geforderten Dialog der Kulturen zu etablieren.

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1 Kommentar

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  • Na wunderbar: Statt eines Formats, dass dem Namen Humboldt durch eine weltweite Dimension Rechnung trägt und das hochsymbolische Merkmal Sprache darstellt, gibt es nun - eine Selbstinszenierung Berlins. Das hat gerade noch gefehlt, besonders in der Kombination mit dem wiederauferstehenden Preußentum.

    Da weiß man ja schon, was kommt: Selbstbeweihräucherung der Religionsfreiheit mit simpler Reminiszenz an den alten Fritz (während direkt nebenan Pegida gegen Muslime hetzt) und Verweis auf die lange Willkommenskultur der Stadt (während sich ein CDU-Senator rühmt für Rekordzahlen bei den Abschiebungen).

     

    Der "globale Makrokosmos soll sich im Berline Mikrokosmos spiegeln"? Heißt übersetzt: Berlin stellt sich in den Mittelpunkt, alles was drumherum passiert, findet auf der Oberfläche Berlins selbst statt. Man schaut auf Berlin statt auf die Welt. Das ist provinziell, kein bisschen neuartig und genau das Gegenteil von Weltstadt.