■ Schöner leben: Kulturkrank
Was ist Kultur? Eine Frage, die sich gerade diese Seite regelmäßig stellen muß. (Die Konkurrenz hat es da leichter: Wen interessiert, was „Feuilleton“ ist?). Die heftigen Verwerfungen innerhalb der Kulturdeputation haben ja jetzt eine neue Definition ans Licht gespült: Der Kulturmensch und Nationaldemokrat Karl-Heinz Vorsatz qualifiziert sich als Deputationssprecher Kultur vor allem dadurch, daß er zu Barraszeiten beim Stiefelwichsen Bach hörte und heute alles über den Künstler und inhaftierten Kinderschänder Otto Mühl weiß.
Ob aber Vorsatz des Stendhal-Syndroms fähig ist, mag bezweifelt werden. Dies ist eine fürchterliche und ehrenvolle Krankheit zugleich. Sie wurde in Florenz entdeckt und wird seit zehn Jahren wisenschaftlich erforscht. Schwindelgefühl, Schwächeanfall, Herzrhythmusprobleme und hoher Blutdruck mit partiellem Umkippen sind die Symptome, zu viele und heftige Kultureindrücke die Ursache. Die Krankheit wurde nach dem französischen Schriftsteller genannt, weil dieser 1817 in einer Florentiner Kirche umkippte.
Das Bombardement von kulturellen Eindrücken sei vor allem für Menschen aus kulturarmen Städten besonders gefährlich, verlautbart die dort ansässige Psychiatrie. So gesehen kommt unser neues rechtes Wundertier vielleicht doch in Frage. Burkhard Straßmann
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