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Kultur um die Ecke Von Klaudia Brunst

Meine Freundin wollte mal wieder ins Kino „und danach schön Essen gehen“. „Prima“, sag' ich vergnügt, obwohl ich sonst eigentlich lieber zu Hause vor dem Fernseher sitze und meine Freundin das ärgert. Aber auf dem Ku'damm läuft gerade der neue Tom Cruise, und für eine Portion Popcorn bin ich immer zu haben. Als ich allerdings fürs Danach den McDonald vorschlage, hängt der Haussegen gleich wieder schief. „Immer machen wir, was du willst!“ empört sich meine sonst so sanftmütige Lebensabschnittsbegleiterin, und weil ich grundsätzlich will, daß sie mein Leben auch künftig begleitet (wer kümmert sich sonst um den Hund, wenn ich mal weg muß?), lenke ich ein.

Die Stadtzeitung hatte sich meine Freundin natürlich listigerweise schon vorab besorgt. Dort empfahl man das „Hochzeitsbankett“, ein taiwanesisch-chinesisch- amerikanisches Meisterwerk, das immerhin einen halben Berliner Bären bekommen hat (also echte Kultur ist), andererseits aber auch ganz lustig sein soll (obwohl es echte Kultur ist). Und weil der Film gleich um die Ecke in so einem kleinen Off-Kino läuft, und meine Freundin aus Bequemlichkeit gerne im Kiez und aus politischer Überzeugung gerne in Off- Kinos geht, gehen wir also ins „Hochzeitsbankett“. Für danach lasse ich mich überreden, einen neuen Inder („vegetarisch-alterniv“ – eine Empfehlung der Stadtzeitung) auszuprobieren. Auch um die Ecke. Der ganze Abend also ein klassischer Kompromiß.

Immerhin haben wir überhaupt noch Karten gekriegt, und sogar zwei Plätze nebeneinander. Ganz hinten, weil meine Freundin das lieber so mag und mir inzwischen alles egal ist. Bis vor uns zwei überdimensional lange Köpfe Platz nehmen, und der ganze Werbeblock in Neuköllner Fönwellen versinkt. „Auf dem Ku'damm wäre uns das nicht passiert“, muffele ich meine Freundin an, „und da hätte es auch Popcorn gegeben.“ Aber eben nicht das „Hochzeitsbankett“, das doch immerhin einen halben Bären... An diesem Abend war meine Freundin einfach nicht kleinzukriegen.

Aber dann wurde es doch recht nett. Der Film fängt nämlich ganz lustig an – trotz halbem Bär. Ich mache also gerade meinen Frieden mit der internationalen Hochkultur, als die Eltern des falschen Hochzeitspaares endlich den Flughafen betreten. „Hi-shi-hung- gung“, sagen sie zur Begrüßung, und zwischen den Fönwellen aus Neukölln steht „Hall---ber Sohn“. „Was stand da eben?“ fragt meine Freundin, die die Untertitel noch schlechter sehen kann als ich. „,Hallo, schön daß du uns abholst, lieber Sohn‘, glaube ich“, raune ich zurück. Und so geht es dann den ganzen Film lang weiter. Oben auf der Leinwand passiert viel, was wir nicht verstehen, weil wir unten nicht lesen können, was eigentlich passiert. Meine Freundin wird bald stinkig, verflucht erst das Kino, dann den Film und schließlich die ganze Hochkultur. Und ich versuche, sie gleichzeitg auf dem laufenden zu halten und mit dem alternativ-vegetarischen Inder zu trösten.

Aber das war dann der zweite harte Schlag an diesem Abend. Das Restaurant hat nämlich ausgerechnet samstags Ruhetag. „Super alternativ“, schäumte meine Freundin, der ihrerseits jetzt alles egal war. Und so sind wir dann noch zum Burger-King gegangen. Der ist nämlich auch um die Ecke.

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