: Kuhhandel: Zollunion gegen Zypern
Griechenland läßt sein Veto gegen die Zollunion der Türkei mit der EU fallen / Menschenrechte kein Thema mehr / Im Gegenzug vorzeitiger EU-Beitritt Zyperns angestrebt ■ Aus Brüssel Alois Berger
Die Mittelmeerinseln Zypern und Malta dürfen sich auf einen Beitritt zur Europäischen Union vorbereiten, damit die Türkei ihre gewünschte Zollunion bekommt. Die Außenminister der Europäischen Union gaben dem Drängen der griechischen Regierung auf eine möglichst rasche Aufnahme Zyperns nach. Im Gegenzug stimmt Athen der seit langem geplanten Zollunion der EU mit der Türkei zu. Malta soll als problemloser Zwilling Zyperns gleich mit aufgenommen werden.
Seit Jahren sperrt sich die griechische Regierung gegen jede Annäherung der Europäischen Union an die Türkei. Eine Finanzhilfe über 1,3 Milliarden Mark, die der türkischen Wirtschaft helfen soll, sich für eine engere Zusammenarbeit fit zu machen, liegt deshalb seit den 70er Jahren auf Eis. Im Dezember letzten Jahres kam es dann zum offenen Streit zwischen Griechenland und den EU-Partnern, weil Athen den für 1. Januar 1996 vorgesehenen Start einer Zollunion mit der Türkei blockierte. Ursprünglich sollte die Zollunion, die vor mehr als 30 Jahren locker versprochen worden war, schon 1995 beginnen. Doch dagegen hatte die Europäische Kommission, die solche Schritte vorzubereiten hat, heftige Bedenken geäußert. Die Türkei sei wirtschaftlich und politisch noch nicht reif, hielt die Kommission in einem internen Papier fest.
Bedenken gibt es nach wie vor. Das Europaparlament forderte im vergangen Jahr, die Zollunion wegen des Krieges gegen die Kurden noch einmal zu verschieben. Proteste gab es vor allem gegen die langjährigen Haftstrafen gegen kurdische Abgeordnete, die von türkischen Gerichten allein wegen ihrer Herkunft und wegen ihres Einsatzes für kurdische Rechte verurteilt worden waren. Doch einige Regierungen, allen voran die Bundesregierung, drängen mit Macht auf eine engere Zusammenarbeit der EU mit der Türkei.
Nachdem nun der griechische Widerstand ausgeräumt ist, der nichts mit den Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zu tun hatte, rechnet Bundesaußenminister Klaus Kinkel damit, daß die Verhandlungen über die Zollunion bis zum 7. März abgeschlossen werden können. Dadurch würde die Türkei ab Beginn nächsten Jahres weitgehend in den zollfreien Binnenhandel eingebunden. Ausgespart bleiben allerdings Agrarprodukte: Die europäische Agrarpolitik ist zu kompliziert für einen Freihandel.
Die Beitrittsverhandlungen mit Zypern und Malta sollen sechs Monate nach Abschluß der Regierungskonferenz von 1996 beginnen. Auf dieser Konferenz wollen die EU-Länder die Maastrichter Verträge überarbeiten und an die Anforderungen anpassen, die sich aus den Erweiterungen der Europäischen Union ergeben. Um die Konferenz nicht zusätzlich zu belasten, sollen vorher keine Aufnahmeverhandlungen mehr anlaufen.
Die Regierungen Deutschlands und Belgiens hätten es lieber gesehen, wenn über den Beitritt Zyperns und Maltas erst ab 1998 gesprochen würde. Aber Griechenland möchte sein Zypernproblem so schnell wie möglich mit der EU teilen. Seit 1974 ist der nördliche Teil der Insel von türkischen Truppen besetzt und damit eine ständige Flamme im griechisch-türkischen Nachbarstreit. Bisher hatte die EU stets darauf bestanden, daß Athen und Ankara erst eine friedliche Lösung für die Zukunft Zyperns vorlegten, bevor ein Beitritt in Frage käme. Dieser Grundsatz wurde für die Zollunion mit der Türkei fallengelassen.
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