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Künstlich verlängerte AKW-LaufzeitenDie Tricks der Atomkonzerne

Die AKW-Betreiber tun alles, um die ältesten Reaktoren in die nächste Legislaturperiode zu retten. Dann, so hoffen die Firmen, kippt der Atomausstieg unter Schwarz-Gelb.

Umkleideraum im Atomkraftwerk Biblis A. Bild: reuters

"Wir können den Reaktor in Biblis so fahren, dass wir mit Restlaufzeiten über die nächste Bundestagswahl kommen. Und dann gibt es vielleicht ein anderes Denken in Bevölkerung und Regierung." Als RWE-Chef Jürgen Großmann seine Taktik so offen bei Spiegel Online ankündigte, waren es noch knapp zwei Jahre bis zur Wahl.

Jetzt hat der Vorstandsvorsitzende des Energieriesen sein Ziel erreicht: In sechs Wochen wird wieder ein neuer Bundestag gewählt, und das Atomkraftwerk wird erst in den nächsten vier Jahren abgeschaltet - falls überhaupt.

Eigentlich hätte Biblis A noch in dieser Legislaturperiode stillgelegt werden sollen. Der Haken: Für die Atommeiler sind keine festen Abschalt-Termine vereinbart. Stattdessen wurde im Atomausstiegsgesetz jedem Kraftwerk eine so genannte Reststrommenge zugestanden, die noch produziert werden darf. Steht ein Atomkraftwerk still oder wird es nicht mit voller Leistung gefahren, läuft es entsprechend länger.

taz-Serie: Sieben gute Gründe

Die Serie: Sieben Atomkraftwerke müssten laut Atomkonsens in der nächsten Legislaturperiode abgeschaltet werden. Union und FDP aber wollen das verhindern. Die taz nennt in einer Serie über die ältesten noch laufenden AKW sieben Argumente für den Ausstieg - von Klimaschutz bis Terrorgefahr. Die Artikel erscheinen in den kommenden Wochen.

Die Demo: Für den 5. September rufen die Anti-Atom-Initiativen zu einer großen Demonstration unter dem Motto "Mal richtig abschalten!" nach Berlin. Die Veranstalter sprechen von der "größten Anti-AKW-Demo, die Berlin je gesehen hat".

Der Service: Mehr über und von Initiativen nicht nur von Atomkraftgegnern finden Sie auf www.bewegung.taz.de FW

Heute relativiert RWE die Aussage von Konzernchef Großmann lieber: Es gehe nicht darum, "dass man bestehende Wahltermine künstlich überstehen will", sagt ein Sprecher, das wäre "überinterpretiert". Trotzdem kündigte der Energieversorger an, den Reaktor Biblis A am Netz zu behalten, sollte die kommende Regierung den Atomausstieg rückgängig machen.

Der Verdacht, dass die Laufzeiten künstlich bis zur Wahl verlängert werden, trifft nicht nur das Essener Energieunternehmen. Auch der Reaktor in Brunsbüttel steht seit mehr als zwei Jahren still - angeblich wegen Reparaturarbeiten. "Dass der Betreiber Vattenfall keine Eile zeigt, ist zumindest ungewöhnlich", sagt Dirk Seifert von der Umweltorganisation Robin Wood. Auch das von EnBW betriebene AKW Neckarwestheim 1 wird nicht mit voller Leistung gefahren. Der Energiekonzern rechtfertigt das mit "sicherheitstechnischen und betriebswirtschaftlichen Erfordernissen".

Interaktive Anti-Atom Karte Bild: taz

Vielleicht ist den Konzernen aber bloß nichts anderes eingefallen, nachdem sie mit ihren Versuchen gescheitert sind, den Uralt-AKWs durch Strommengen-Übertragung ein Weiterlaufen zu ermöglichen. Die neueren Anlagen Emsland, Krümmel und Neckarwestheim 2 sollten im Gegenzug weniger Strom produzieren dürfen als vorgesehen.

Der Atomkompromiss erlaubt ein solches Verschieben von neuen auf alte Reaktoren allerdings nur mit Zustimmung der Bundesregierung. Das Umweltministerium hat die Anträge auf Übertragung in allen drei Fällen aus Sicherheitsgründen abgelehnt, nun wird der Streit vor Gericht ausgetragen.

Robin-Wood-Experte Seifert findet das Verhalten der Atomkonzerne "unverantwortlich und unverschämt". Nötig sei die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen. Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl, möchte hingegen an der bestehenden Ausstiegsregelung festhalten. "Da muss man im Grunde nicht viel ändern, wenn die Spielchen der Konzerne unterbunden werden." Das Ausstiegsgesetz müsse nicht geändert, sondern vollzogen werden.

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12 Kommentare

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  • JE
    Jens, einfach nur Jens ;-)

    @Genervter Bürger: "Immer wieder gerne genommen: Arbeitslose (= Ahnungslose ?) [nicht gesagt, aber geschickt untergeschoben]" Was willst du mir damit vorwerfen?! Ich glaube Du leidest an Verfolgungswahn?! Sorry! ;-)

     

    Natürlich sind Nachrüstungen, also zusätzliche Redundanzen, durchaus möglich und wurden in vielen Anlagen in der Vergangenheit gemacht! Aber wieviel Redundanzen hättest Du denn gerne, bis du denkst, dass Kerntechnik sicher ist? 10, 20, 100?

  • GB
    Genervter Bürger

    @ rwe-jens:

     

    Niemand erwartet, dass Sie den Auftrag einräumen. Überprübar ist das ohnehin nicht.

     

    Schön sind auch die pauschalen Diffamierungen, die eine Antwort auf die Antwort von frosch umgehen.

    Immer wieder gerne genommen: Arbeitslose (= Ahnungslose ?) [nicht gesagt, aber geschickt untergeschoben]

     

    zum "Stand der Technik"

    Speziell die AKWs mit geringer Restlaufzeit haben auf Nachrüstungen verzichten dürfen, da sie ja nur noch kurze Zeit laufen würden!

    (Zweifellos eine sehr kontraproduktive Großzügigkeit von Schröder)

    Außerdem ist die Nachrüstung z.T. nur eingeschränkt möglich. Z.B. lassen sich zusätzliche Redundanzen kaum schaffen. Auch hier argumentieren die Betreiber mit unverhältnismäßigen Kosten.

     

    Wenn die Nachrüstpflicht von Rot-Grün einfach ernst genommen worden wäre, dann wären sämtliche alten AKWs bereits abgeschaltet !

    (Aber leider hat Schröder lieber Industriepolitik gemacht und mit den Big4 einen Kompromiss gesucht, der den angekündigten Ausstieg verbal aufrecht erhalten hat, ohne Geld zu kosten. - Hat ja geklappt...)

     

    Grüß den ex-Minister e.on-Müller!

  • J
    Jens

    Ich bin nicht von einer Lobby bezahlt! Es ist immer wieder lustig und erschreckend zugleich, wenn man Menschen mit Tatsachen zur Kernenergie und Radioaktivität kommt, man entweder in die Lobby-Ecke gestellt wird oder die meinung vorherscht: Verwirren sie mich nicht mit tatsachen, ich habe meine meinung! Die Anti-AKWler hier, die übrigens zumeist zu Zeiten schreiben, wo der Otto-Normal-Bürger arbeitet ;-) , wollen garnicht überzeugt werden.... müssen sie auch nicht.... wen interessirt hier schon die wahrheit! ;-)

     

    @taz: wie sieht es aus? Interessiert euch die wahrheit? dann versucht doch endlich mal einen differnzierten artikel zur Kernenrgie zu verfassen. wäre doch mal ein versuch?!

  • PZ
    p. zimmermann

    Jens und Andreas H. sind offenbar auch "Rückverdummungsbeauftragte" der Atomlobby. Anders kann ich mir eine solche Ignoranz gegenüber der bestehenden Faktenlage nicht erklären. Jeder, der es wünscht kann sich heute genügend Hintergrundinformationen beschaffen, um einzusehen, dass die Zukunft den erneuerbaren Energien gehört.

    Die Einzigen die noch das Gegenteil herbeilügen und mit bezahlten Kommentatoren und gezielt gestreuten Fehlinformationenkaufen Stimmung dagegen machen sind die Stromkonzerne, die weiter auf eine zentrale Enrgieversorgung mit Großkraftwerken setzen, weil nur diese ihre fantastischen Gewinne dauerhaft sichern.

    Ich weiß, jetzt kommt die Subventionsklatsche für die Erneuerbaren. Aber es ist doch besser einer zukunftsträchtigen Energieversorgung eine Anschubfinanzierung zu gewähren, als sich auf ewig an ein Auslaufmodell zu binden. Die Erneuerbaren tragen sich zum größten Teil schon selbst.

    Es ist ja nicht schlimm sich zu irren, jedoch gezielt alle widersprüchlichen Informationen zu negieren ist dumm.

    Für weitere Informationen siehe hier und [url=""http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2009/0723/atom.php5"" target="_blank">hier

  • F
    frosch

    @Jens:

    Es stellt sich die Frage, wer hier Agitation betreibt oder auf Halbwahrheiten reingefallen ist!

     

    Von wegen das Problem der Endmülllagerung sei gelöst! >:-(

    Atommülllager in Schweden und Finnland sind erst in der Planung - Probleme mit dem Grundwasser und geologischen Gegebenheiten sind noch gar nicht erforscht bzw. Erfahrungen damit noch nicht vorhanden!!

     

    Von wegen keine radioaktive Belastung - fragen Sie mal die Menschen, die dort jahrelang gearbeitet haben!

     

    Es soll ja Leute geben, die im Auftrag von Firmen und Organisationen für Geld Einträge in Foren schreiben. Bei so viel Fehlinformation, die Sie hier verbreiten, liegt dieser Verdacht nahe...

  • M
    marina

    stop that nuke industries !

     

    enforce renewables !

     

    look here for example:

    http://www.youtube.com/watch?v=whoAbKSs5Q0

    not least there are also some good informations and further more links in the description text belonging to the short video.

  • J
    Jens

    ohhh man, die Kommentare hier sind mal wieder genauso undiffernziert wie der Artikel des Herrn Werdermann (er könnte fast von einem Reimer oder Janzing sein ;-) .

    1.) AKW´s belasten die Umwelt nicht! Die Radioaktive "Belastung" ist im Promillebereich der Genehmigten Grenzwerte

    2.) Die Endlagerung ist gelöst (bitte nicht immer dieses Asse mit Gorleben und Konrad verwechseln!) siehe Schweden und Finnland

    3.) Deutsche Kernkraftwerke werden, egal wie alt sie sind, auf dem Stand von Wissenschaft und Technik gehalten und ständig nachgerüstet, nur weil ein Kraftwerk seit 30 Jahren existiert, heißt dass nicht, dass die Technik 30 Jahre alt ist, wer das behauptet, betreibt Propaganda und Agitation und möchte Spenden oder billiges Stimmvieh!

    4.) Ist es komisch, dass Herr Gabriel doch nicht wollte, dass der ein oder andere Reaktor nicht ans Netz geht, also wer verlängert hier die Laufzeiten! ;-)

     

    Schade, dass scheinbar intelligente Leute immer wieder auf die gleichen dumme Halbwahheiten reinfallen .... ein Armutszeugnis

  • M
    manni

    Mit dieser Taktik schießen sich die Betreiber der AKWs selbst ins Bein. Leider merkts kaum jemand. Es sind zur Zeit einige Reaktoren nicht am Netz bzw. werden nur mit verminderter Leistung gefahren.

    GLEICHZEITIG wird immer wieder propagiert, dass Deutschland ohne den scheiß nicht auskommt. Der Strom wird teurer, bla bla....

    Es geht ohne. Und den besten Beweis liefern die AKW-Betreiber selbst.

     

    Vollidioten!

  • F
    FMH

    Eigentlich ist es doch, wie man so schön sagt, g'hupft wie g'sprungen: Um so früher die schrottreifen Atomkraftwerke abgeschaltet werden, um so eher spriesen teilweise löcherige Neubauten in den Grenzländern aus dem Boden. Lässt man unsere noch länger Laufen, machen sie auch mehr und mehr Probleme.

    Was also tun, wo doch der ganze Atommüll sowieso bei uns landet?

  • H
    Hobit

    die AKW's gehören schleunigst abgeschaltet. Die Gründe dafür sind hinreichend bekannt. Und was ist mit dem Müll?? Wo soll der hin? Asse, Gorleben und Morsleben sind undicht. Dieses Desaster kostet den Steuerzahler mehrere Milliarden Euro. Dazu noch die Strompreise, die in schöner Regelmässigkeit steigen. Wenn die Energiekonzerne fir ihren Müll zahlen müßten, wären die AKW's schon lange abgeschaltet.

  • EA
    el antifascista

    Ich kann meinem Vorredner nicht ganz zustimmen. Je länger ein AKW läuft desto größer ist die Belastung für die Umwelt die es darstellt. Des Weiteren wird so ein Kraftwerk sicherheitstechnisch ja nicht besser, wenn es jahrelang genutzt oder ungenutzt auf der grünen Wiese steht. AKWs abschalten!!! Jetzt!!!

  • AH
    Andreas H.

    Im Artikel wird mehrmals die Organisation Robin Wood erwähnt. Nachdem ich vor einiger Zeit mir einmal deren Homepage angesehen habe, habe ich diese für mich persönlich in die Schublade "Spinner" gesteckt.

     

    Aber zum Thema Verlängerung von AKW-Laufzeiten:

    Dass Kerntechnik ein "Relikt" des 20. Jahrhunderts ist und wir mit der Zeit gehen müssen/wollen ist eigentlich kein Problem.

    Dass die Betrieber lieber die Reststrommengen der alten Meiler aufbrauchen, solange die noch betriebsfähig sind, kann ich durchaus nachvollziehen. ABER:

    Wenn die Atomaufsicht oder das Umweltministerium, die ja dafür zuständig sind, sagt: "die Kraftwerke sind nicht mehr sicher genug", dann sollen die ohne "wenn und aber" vom Netz.

     

    Solang aus sicherheitstechnischer Sicht keine Probleme mit den Reaktoren gibt, sollen die ruhig in aller Ruhe ihre letzten Jahre abwarten.