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Künstler-Reaktionen auf die Türkei-WahlFreude und Angst

Erstaunlich wenige Künstler äußern sich öffentlich zum Erfolg der HDP. Es herrschen Schockstarre und eine gewisse Skepsis.

Der Pianist Fazil Say (Archivbild aus dem Jahr 2005). Foto: Imago / Sven Simon

BERLIN taz | Ein paar Tage nach den türkischen Parlamentswahlen ist es seltsam still geworden. Selbst Recep Tayyip Erdogan, der als überparteilicher Staatspräsident in den 30 Tagen vor der Wahl durch 32 Städte gezogen ist, um inoffiziellen Wahlkampf zu betreiben, ist abgetaucht.

Auch von Seiten jener türkischen Intellektuellen und Künstler, die sich über das Wahlergebnis freuen dürften, gibt es in den 48 Stunden nach der Wahl kaum Reaktionen auf den Umstand, dass die Regierungspartei AKP nicht wie erwartet die absolute Mehrheit erreicht hat.

Viel wurde in den Medien und sozialen Netzwerken darüber spekuliert, ob die linke prokurdische HDP es über die 10-Prozent-Hürde schaffen würde. Doch dass die 2012 gegründete Partei, die sich vor allem der strikten Trennung von Staat und Religion sowie der Anerkennung jeglicher Minderheiten verschrieben hat, mit 13,11 Prozent Stimmenanteil tatsächlich ins Parlament eingezogen ist, damit hatte wohl keiner gerechnet, wie die allgemeine Schockstarre beweist.

Einzelne Prominente wie die Schauspielerin Nihal Yalcin, die bei den Gezi-Protesten 2013 sehr aktiv war, versahen ihre Tweets mit dem Hashtag #bariskazandi (“Der Frieden hat gewonnen“). Die Schriftstellerin Elif Safak freute sich vor allem darüber, dass der Anteil von weiblichen Abgeordneten im Parlament mit 18 Prozent so hoch liegt wie nie zuvor – was auch damit zu tun hat, dass die HDP zu 40 Prozent aus Frauen besteht.

„Hoffen wir, dass wir nicht betrogen werden“

Der mehrfach wegen „Verunglimpfung religiöser Werte“ angezeigte und regierungskritische Pianist Fazil Say wiederum schrieb in einem öffentlichen Statement: „Die HDP hat die Waffen niedergelegt und ist in die Politik eingetreten, um unsere Demokratie zu bereichern. Hoffen wir, dass wir nicht betrogen werden.“

Says Bemerkung steht stellvertretend für das grundsätzliche Misstrauen vieler Regierungskritiker gegenüber der HDP, aufgrund der offenkundigen Nähe zwischen der Partei und der kurdischen Terrororganisation PKK. Dilek Öcalan, Nichte des PKK-Gründers Abdullah Öcalan, ist nun etwa HDP-Abgeordnete.

So mag das Verstummen der Stimmen vor allem mit der Angst zu tun haben, dass sich der kurdisch-türkische Konflikt in nächster Zeit verschärfen könnte. Erst am Freitag vor den Wahlen wurde ein Bombenattentat auf eine HDP-Veranstaltung in Diyarbakir verübt, es gab drei Tote und 400 Verletzte.

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