Kündigung von Egg-Kreditkarten: Die Kartenkrise
Bange Fragen, nachdem Online-Bank Egg 160.000 Kunden die Kreditkarten kündigte: Folgt der Immobilien- erst die Karten- und dann die Leasingkrise?
BERLIN taz Erst waren es nur faule Hypotheken, die die Finanzmärkte weltweit in die Krise stürzten. Folgen jetzt die faulen Kreditkartenschulden? Das fragte sich so mancher, als unlängst die britische Online-Bank Egg 160.000 Kunden die Kreditkarten kündigte. Begründung: eine Neubewertung des Ausfallrisikos bei diesen Kunden durch die neue Muttergesellschaft, die angeschlagene US-Großbank Citigroup. Mit der globalen Finanzkrise habe das nichts zu tun.
Aber hatten nicht kurz zuvor Experten just vor einer Ausbreitung der Krise gewarnt? Die Risiken beschränkten sich nicht mehr auf die minderwertigen US-Hypotheken, unkte vergangene Woche der oberste Bankenaufseher der Schweiz, Daniel Zuberbühler: "Sie greifen über auf die Kreditkarten, Kleinkredite und Gewerbekredite." Das seien die "Hotspots, die als Nächstes unter Druck kommen könnten". Und die Kreditratingagentur Fitch teilte mit, sie erwarte in den USA zunehmende Forderungsausfälle für Kreditkartenschulden und auch Autodarlehen. Viele Kfz-Hersteller hatten Kunden gelockt, indem sie ihnen ohne größere Sicherheiten billige Kredite zur Verfügung stellten. Ganz so, wie US-Hypothekenbanken auch wenig finanzkräftigen Leuten Immobiliendarlehen verkauft hatten. Die Darlehen veräußerten sie anschließend auf den Finanzmärkten weiter, wo die Krise ausbrach, als immer mehr Hausbesitzer zahlungsunfähig wurden.
Nicht nur Hypotheken wurden verbrieft und weiterverkauft, sondern auch alle möglichen anderen Forderungen - eben auch Kreditkartenschulden. Was, wenn die nun auch faul sind? Ein auf den Schuldenmarkt spezialisierter Analyst in London wiegelt auf Nachfrage der taz ab: "Derzeit sehen wir in Großbritannien im Gegenteil sogar einen Rückgang bei den Privatinsolvenzen und bei den Abschreibungen der Kreditkartenfirmen." Selbst für die USA rechnet er nicht mit dem Schlimmsten: "Die Kreditkartenfirmen sind dort schon seit 2005 mit höheren Zahlungsausfällen konfrontiert, aber das heißt, dass sie inzwischen Zeit hatten, die Risikostruktur zu verbessern." Zum Beispiel, indem sie wackeligen Kunden Kredite verweigerten oder höhere Zinsen verlangten. Die britische Bank Egg hatte erst vor kurzem eine solche Risikostaffelung eingeführt, und jetzt will sie offenbar die alten Kunden mit schlechter Bonität loswerden. Ein Volkswirt bei einer Londoner Bank glaubt ebenfalls nicht an eine neue Schockwelle: "Natürlich haben Finanzinstitute die Kreditvergabe infolge der Probleme eingeschränkt, und offensichtlich weitet sich dieser Trend jetzt auch auf den Kreditkartenmarkt aus."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen