Kubas Wirtschaft: Am Öltropf von Chávez
Venezuela und Kuba beschließen wirtschaftliche Allianz. Venezuela ist zum Rückgrat der kubanischen Volkswirtschaft geworden. Kuba zahlt mit Diensten seiner Ärzte.
HAMBURG taz Als "schlafender Elefant" wurde die Raffinerie Camilo Cienfuegos auf Kuba lange Zeit bezeichnet. 136 Millionen US-Dollar sind bisher in die Reanimierung der in den Achtzigerjahren gebauten und seit 1995 stillstehenden Anlage geflossen. Am Wochenende hat Venezuelas Präsident Hugo Chávez den Koloss vor den Toren der Provinzstadt Cienfuegos offiziell wiedererweckt. Seitdem fließen die ersten Tonnen Rohöl durch das Leitungssystem der Raffinerie 200 Kilometer südöstlich von Havanna und werden zu Benzin verarbeitet.
Zum Abschluss des viertägigen Gipfels der karibischen Erdölproduzenten hat Chávez am Sonntag gemeinsam mit dem kubanischen Staatschef Raúl Castro eine Reihe von Abkommen für den Strom-, Minen- und Erdölsektor unterzeichnet. Insgesamt 22 Milliarden Dollar will Chávez in den kommenden zehn Jahre den Bau von zehn neuen und den Ausbau von acht bestehenden Erdölraffinerien in Lateinamerika und der Karibik investieren. Kernstück der Vereinbarungen ist für Kuba, dass es die Erdöllieferungen Venezuelas auch mit Waren oder Dienstleistungen bezahlen kann.
1,2 Milliarden US-Dollar sollen noch in die Raffinerie von Cienfuegos fließen. Ziel ist es, die Raffinerie zum Kernstück einer petrochemischen Industrieparks zu machen, der nicht nur den kubanischen, sondern auch den karibischen Markt mit Plastikprodukten, Düngemitteln, Kosmetik und Reinigungsutensilien versorgen soll. Für Chávez ist der petrochemische Industriepark ein Zukunftsprojekt, welches "das geeinte Kuba und Venezuela in eine regionale Macht verwandeln wird".
Das ressourcenarme Kuba ist dabei allerdings eher der Juniorpartner, denn das Geld für derartige Großprojekte kommt in erster Linie aus dem in Petrodollars schwimmenden Venezuela. Der Bruderstaat mutiert peu à peu zum größten Investor in Kuba. Nicht nur im Erölsektor, wo der staatliche venezolanische Erdölkonzern PdVSA neben anderen Konkurrenten vor der Küste Kubas nach Erdöl sucht, engagiert sich das Bruderland, sondern auch im Bergbau, im Elektrizitätssektor und in der Telekommunikation. Längst wird der Bruderstaat auch in den offiziellen Handelsstatistiken an Position eins geführt. 2006 betrug der Handelsaustausch 2,6 Milliarden US-Dollar. Das ist aber nur die Spitze des Eisberges. "Wir gehen davon aus, dass allein die Leistungen kubanischer Spezialisten in Venezuela 2006 mit sechs Milliarden US-Dollar zu Buche schlagen", sagte der Sozialwissenschaftler Omar Everleny vom Forschungsinstituts der kubanischen Wirtschaft (CEEC). 36.000 Kubaner arbeiten bereits in Venezuela, die meisten von ihnen sind Ärzte. Die Einnahmen aus den Geschäften mit Venezuela stellen bereits diejenigen aus dem Tourismus und dem Nickelbergbau in den Schatten. Ein Teil der Honorare wird bereits mit 98.000 Fass Erdöl pro Tag beglichen, wodurch Kuba unabhängig vom Erdölweltmarkt ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!