Kubanische Sportler auf der Flucht: Profitieren vom Prekären
Sechs U-23-Nationalspieler der kubanischen Baseball-Auswahl setzen sich bei einem Turnier in Mexiko ab. Verantwortung dafür tragen auch die USA.
![Aroldis Chapman beim Wurf Aroldis Chapman beim Wurf](https://taz.de/picture/5131256/14/28514167-1.jpeg)
Dariel Fernández Baz schlich sich am Morgen aus der Unterkunft seines Teams, am späten Nachmittag hatte der Baseball-Spieler aus Pinar del Río schon einen Vertrag mit einer Agentur unterzeichnet. Das Ziel des talentierten Pitchers der kubanischen Nationalmannschaft der unter 23-Jährigen ist klar: Er will in der US-amerikanischen Mayor League Baseball spielen. Dabei soll ihm Carlos Pérez von RI Total Sports fortan helfen und Kontakte zu den Teams knüpfen, damit er dort vorspielen kann. Agenten wie Pérez umschwirren die Talente aus der Region bei den einschlägigen Turnieren des Nachwuchses wie die Motten das Licht und in Ciudad Obregón wurden sie fündig.
Gleich sechs kubanische Nachwuchsspieler verließen am letzten Wochenende die Unterkunft ihres Teams, um sich abzusetzen und ihr Glück im Profisport zu suchen. Das ist ein historischer Aderlass und der hatte umgehend eine Reaktion des kubanischen Baseball-Verbandes zu Folge.
Der machte die USA für die Republikflucht des Sextetts verantwortlich. Das ergibt durchaus Sinn, denn im Dezember 2018 war ein Abkommen zwischen der kubanischen Seite und den 30 Teams der Mayor League Baseball der USA unterschriftsreif ausgehandelt worden und scheiterte in letzter Sekunde am Veto aus dem Weißen Haus. Donald Trump war es damals, der sich gegen ein offizielles Abkommen stellte, dass die illegale Ausreise kubanischer Baseball-Cracks und deren Anwerbung durch US-amerikanische Agenten unterbinden sollte.
Wie mit anderen Baseball-Ligen auch sollte es fortan Regeln, Ausbildungsentschädigungen und Co auch für kubanische Stars und Talente geben, um den Athleten ihren Traum in der stärksten Liga der Welt, eben der US-amerikanischen Mayor League Baseball, zu ermöglichen. Allerdings ohne die Zelte auf der Insel komplett abzubrechen und fortan auch nicht mehr für die Nationalmannschaften der Insel aufzulaufen.
Hoher Preis der Flucht
Ein durchaus sinnvolles Abkommen, dass damals von kubanischen Exstars wie Higinio Vélez, Extrainer, ausgehandelt und von zahlreichen Stars wie Orlando „El Duque“ Hernández oder José Abreu begrüßt wurde. Nicht ohne Grund, denn Orlando „El Duque“ Hernández gehört zu den kubanischen Stars, die illegal die Insel per Boot verließen, um sich in der Mayor League Baseball mit den Besten der Welt zu messen. Erfolgreich. Doch der Preis war hoch. Denn mehr als acht Jahre konnte der Baseball-Champion seine Familie nicht sehen.
Das gilt ebenfalls für einige derzeit noch aktive Spieler wie Aroldis Chapman, der 2009 in Rotterdam die Nationalmannschaft verließ. Auch Yulieski Gurriel, derzeit mit seinen 37 Jahren auf dem besten Weg zum besten Schläger mit der Holzkeule der Mayor League Baseball gekürt zu werden, stammt aus Kuba – ging aber legal im Herbst seiner Karriere, um noch einmal groß aufzuspielen.
Genau davon träumen die sechs Talente, die dem kubanischen Nachwuchsteam den Rücken kehrten. Mit den Besten spielen, ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist es, den prekären Bedingungen auf der Insel zu entfliehen, wo Béisbol zwar Nationalsport ist, wo aber die Ausstattung, die Infrastruktur in den letzten Jahren immer schlechter wurde und wo die ökonomischen Probleme an allen Ecken sichtbar sind. In den USA zu spielen, sich dort durchzusetzen, bedeutet auch gut zu verdienen und so die Möglichkeit zu haben, die eigene Familie auf der Insel zu unterstützten.
Das ist der zweite, immer wichtiger werdende Grund für die Abwanderung von der Insel. Darüber, so kritisiert die Onlineplattform El Diario de Cuba, ist in der Erklärung des kubanischen Verbandes nicht zu lesen. Die prekären Bedingungen auf der Insel machen es den Talentscouts der Mayor League Baseball, aber auch den unzähligen kleinen Agenturen wie jener von Carlos Pérez leicht, die Talente abzufischen.
Das dabei Verträge unterzeichnet werden, die längst nicht immer im Interesse von Talenten wie Dariel Fernández Baz sind, ist vollkommen unstrittig. Allerdings gibt es kaum eine Alternative für die sechs Spieler, die nun über Mexiko versuchen werden, einen Klub in der Mayor League Baseball zu ergattern.
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