„Kruzifix! Bayern ohne Balkensepp“

■ Diese taz-Überschrift vom 11. Au gust 1995 sorgt für Aufregung

Es ist bedauerlich, daß in dieser feindlich gestimmten Zeit immer mehr Schutz und Trost zugunsten einer vermeintlich konsequent weltlichen Haltung geopfert werden. Ein Kreuz im Klassenzimmer gemahnt uns stets, an einen rechten Sitz zu denken, denn nirgendwo sonst werden so viele Haltungsschäden prädisponiert. Auch ist schon lange des Kreuzes Schutz vor Vampiren überliefert. Lasset die Schüler sprechen, nirgendwo sonst werden sie so ausgesaugt.

Und schließlich bin ich im Lichte dessen – als rückengeschädigter Sitzer – nicht nur für das „Kreuz“, sondern auch für die Verabreichung kostenloser Knoblauchpillen an den überforderten Nachwuchs. A. Utz Walther

[...] Vor gut zwei Wochen habe ich nämlich die im Artikel beschriebene Allmacht der Kirche am eigenen Leibe erfahren.

Ich habe dieses Jahr meinen Abschluß als staatl. geprüfte Erzieherin gemacht, und um auch die staatl. Anerkennung zu erlangen, muß ich ein Jahr in einem Kiga o.ä. arbeiten. Ich hatte mich zu diesem Zweck bei einem [...] evangelischen Kiga beworben. Leitung, Pfarrer und Presbyterium hatten meiner Einstellung zugestimmt, wohl wissend, daß ich nicht getauft (aber trotzdem auf meine Weise christlich) bin. Den Vertrag sollte ich dann bei Arbeitsbeginn am 1.8. 95 unterschreiben.

Doch eine Woche vorher teilte man mir mit, daß der Kreissynodalvorstand Düsseldorf meine Einstellung abgelehnt hatte, weil ich nicht getauft bin. [...] Da das sog. Anerkennungsjahr immer im August/September beginnt, finde ich jetzt so kurzfristig bei keinem anderen Träger mehr eine Stelle.

Die Evangelische Kirche hindert mich also durch ihre anachronistische Einstellung an der Beendigung meiner Ausbildung, sie macht mich arbeitslos. [...] Ich habe mich in deutlicher Form beim Kreissynodalvorstand beschwert, bisher ohne Rückmeldung. [...] Viele Grüße Stefanie Wagner

Der „Balkensepp“ in der Schlagzeile ist dumm und kindisch im gleichen infantilen Sinn, in dem Jugendliche sich nicht anders zu wehren wissen als durch das Umstürzen von Grabsteinen. Ich hab nichts dagegen, daß Kruzifixe aus bayerischen Klassenräumen entfernt werden, aber die primitive Verhöhnung des Symbols trifft nur die Autoren selbst.

Merkt ihr eigentlich nicht, daß ihr mit diesem und anderen Zynismen das Geschäft betreibt, das Baudrillard (zit. v. Jörg Lau, taz 12./13.8.) den neuen Imperialismus des Westens nennt: „... überall, wo irgendeine Sonderbarkeit überlebt oder sich behauptet, irgendeine Minderheit, irgendein besonderer Dialekt, eine Leidenschaft oder ein unnachgiebiger Glaube und besonders irgendeine gegnerische Vision der Welt, da muß man eine gleichgültige Ordnung errichten – genauso gleichgültig, wie wir unseren eigenen Werten gegenüber sind. ... Dieser Terrorismus ist nicht fundamentalistisch; er ist nur der einer Kultur ohne Fundament. Es ist der Integrismus der Leere.“ Ich finde auch, daß Baudrillard sich so klar ausdrückt, daß er nicht von Lau „übersetzt“ oder gar in die Nähe des überaus unklaren „Bocksgesangs“ gerückt werden muß. Ruth Rehmann

Erst der letzte Satz des Interviews mit dem Brauchtumsforscher D. Drascek reißt an, worum es wirklich geht: um einen – allerdings justifizierten – Luftblasenkampf zwischen Popanzen.

An der Ausgangssituation, der Klage des Anthroposophen-Ehepaars aus der Oberpfalz, scheint mir bedauerlich, daß das Ehepaar nicht die Größe aufbrachte, auf den Kompromißvorschlag eines kleineren und korpuslosen Kreuzes einzugehen. Wenn die Lehren R. Steiners derartig weitgehende Toleranz nach sich ziehen, spricht das m.E. nicht für sie. Außerdem frage ich mich, ob die relativ starren Erziehungsmaximen der Anthroposophen, u.a. mit dem Versuch, die Kinder unter Glasglocken zu setzen, wirklich das Beste für die Kinder sind.

Die Reaktionen auf das Urteil, sowohl aus der C-Politik wie aus den Kirchen sind aber an echt christlichen Maßstäben („An ihren Werken sollt ihr sie erkennen“ – die Christen) zu messen und erweisen sich eben daran als Luftblasen. [...]

Erst recht müssen natürlich die Kirchen sich und ihre Reaktion auf das Urteil an christlichen Maßstäben („Ihr sollt Euch kein Bild machen“) messen lassen. Und da erwiesen sich ihre Reaktionen nicht nur als Luftblasen, sondern als Nebelwerfer-Schwaden. Wo bleibt denn der effiziente und laute Protest der Kirchen, wo bleibt die Androhung von Widerstand, die jetzt gelegentlich laut wird bei wirklich wichtigen Dingen, wo christliche Wertvorstellungen seitens der Politik mit Füßen getreten werden? [...] Franz Schuhwerk

[...] Zunächst einmal habt ihr für eine Titelstory ziemlich schlecht recherchiert. Es wird der Eindruck erweckt, als müßten jetzt alle Kreuze in Klassenzimmern abgenommen werden. Das Urteil erklärt jedoch nur die Vorschrift für verfassungswidrig, daß in jedem Klassenraum ein Kreuz hängen muß.

Ich begrüße die Entscheidung der Karlsruher Richter über den §13 der Bayerischen Schulverordnung und würde über jeden Spaß mitlachen, der darüber gemacht würde. Aber ich bin auch ein religiöser Mensch. Christlicher Glauben, Jesus und das Kreuz bedeuten mir etwas. Habt ihr darüber schon mal nachgedacht?

Das Karlsruher Urteil fordert vom bayerischen Kultusministerium die gleichberechtigte Achtung aller Gesinnungen, auch von religiösen Minderheiten oder Anthroposophen. Ihr praktiziert genau das Gegenteil. Was immerhin einigen Mitmenschen und auch taz-Freunden sehr viel bedeutet, zieht ihr grundlos in den Dreck („Balkensepp“, „Lattengustl“).

Das hat mich tief getroffen. Bernd Hestermeyer,

Wardenburg

EnthüllungKirchenagentInnen sind tatsächlich überall. Sogar die taz wird von solchen finanziert. Damit muß Schluß sein. Ich wechsle vom Politischen Preis zum Leiderleiderpreis. Mein seit Jahren zusammengestrichenes halbes Pfarrerinnengehalt werde ich nicht mehr verwenden, um Diffamierungen und absurde Falschinformationen über die Evangelische Kirche zu finanzieren, die Eure Redaktion offensichtlich sowieso nicht von der Katholischen unterscheiden kann. Elke Burkholz, Messel

Keine Religion setzt sich bei einem Menschen durch Zwang durch, wenn es nicht allein um die nominelle Konfessionszugehörigkeit geht. Die Religion eines Menschen, sein Menschbild oder seine Weltanschauung beruht auf innerer Überzeugung. Von Werten irgendwelcher Art muß man überzeugt sein, so daß sie Inhalt und Orientierung des menschlichen Gewissens werden. Dies zu erreichen vermag kein Symbol, kein Ritus oder äußerlicher Formalismus, auch kein Kruzifix in irgendeinem Raum. [...] Religiöse Symbole müssen jedem fremd und bedeutungslos bleiben, der nicht den zugehörigen Glauben besitzt.

Was jetzt allerdings in der Presse, allen voran die taz, zu erleben ist, zeigt ein trauriges, armseliges Bild einer Gesellschaft, die sich gerne aufgeklärt, fortschrittlich gibt, die aber nur geistige Leere kennt, die sie in sensationslüsternem Spott zu füllen versucht. [...]

Ungerechtigkeiten in der Welt zu bekämpfen gehört zur Tätigkeit verantwortlicher Regierungen und nicht zum Bereich der Religion. Sie kann nur das Bewußtsein und Sensibilität dazu schaffen. [...] Luz Maria Destéfano

de Lenkait, Diplomatin a.D.

Den Gekreuzigten als Balkensepp zu verhöhnen, dazu braucht es weder Geist noch Mut, noch Engagement für eine bessere Welt, die der Texter dieser Schlagzeile möglicherweise sich nur als eine gottlose vorzustellen vermag. Dazu gehört nur eine eitle und arrogante, im Ergebnis menschenverachtende Selbsteinschätzung und Einstellung anderen gegenüber. Was er verhöhnt, ist vielen Menschen nun einmal wert oder sogar heilig. Mit der Schlagzeile gibt man gleich zu Beginn zu verstehen, was von Zeitgenossen, beispielsweise bayerischen Christen, ihren Gefühlen und ihrem Glauben zu halten ist, nämlich nichts, und daß es sich eigentlich nicht lohnt, damit seine kostbare Zeit zu verbringen.

Das Urteil stellt fest, daß auch in Bayern Eltern das Recht haben, ihre Kinder in eine öffentliche Schule zu schicken, die keine religiösen Symbole zeigt, und seien es auch die einer Mehrheit. Ob dieses Recht nun auch von einer Minderheit in jedem Falle einzufordern und durchzusetzen wäre, halte ich für eine offene Frage; auf jeden Fall ist das Urteil Ausdruck der Religionsfreiheit [...], mögen auch Christen oft genug dagegen verstoßen haben und noch verstoßen. Wahrhaftiger Glaube ist ein Geschenk Gottes an den, der glaubt, und verträgt keinen Zwang.

Wahrscheinlich bräuchte der Texter mehr Mut, den Koran auf die Schippe zu nehmen, müßte er dann doch gewärtig sein, auch in diesem, unseren Lande vom Bannstrahl eines, sagen wir persischen, Religionswächters getroffen zu werden. Aber zum Glück hat er in dieser Hinsicht nichts zu fürchten, solange es die christliche Religion betrifft. (Sind Sie sich da wirklich sicher, fragt die säzzerin?)

Schade, in der taz bei diesem Thema vom Balkensepp lesen zu müssen. Ich ging immer davon aus, daß diese Zeitung sich der linken Tradition verpflichtet fühlt oder doch wenigstens von dort einmal kam, und die steht für Menschenrechte, die ohne den Respekt vor dem Mitmenschen weder zu begründen noch durchzuhalten sind. Jürgen Rolker, Pastor

Auch wenn wir uns beide nicht als Christen verstehen und außerdem Fans der taz sind, halten wir die Schlagzeile vom 11. August, in der das Kruzifix als „Balkensepp“ bezeichnet wird, für eine unverschämte Geschmacklosigkeit.

Die religiösen Empfindungen andersdenkender Menschen derart zu verletzen ist weder ein Zeichen von Liberalität noch von linker Fortschrittlichkeit. Einer souveränen und unabhängigen Zeitung – für die wir die taz halten – stünde eine Entschuldigung für diese verbale Entgleisung gut an. Mit freundlichen Grüßen Iris Stamer

Ulrich Schmidt

Es gehört wohl sehr viel Herzenskälte dazu, einen sterbenden Menschen am Kreuz zu verspotten. Das konnten die römischen Soldaten vor zweitausend Jahren auch schon. Aber Herzenskälte und Arroganz sind der erste Schritt zu einer inhumanen Gesellschaft. Das sollten auch die beiden Autoren bedenken, wenn Sie in der plakativen Überschrift Christen mit einem Schimpfwort belegen. Die Titelseite hat mich nicht wütend, sondern sehr traurig gemacht. Helene Blanco

Eure Zeitung ist für mich unentbehrlich und außerdem ein Genuß. Am meisten freue ich mich immer über eure Schlagzeilen, die fast nie persönliche Verletzungen, Verleumdungen, wie ich es an der Bild-Zeitung verabscheue, enthalten, sondern im Kern ein Sachurteil.

Für den „Balkensepp“ hättet ihr eigentlich meine Kündigung verdient, denn diese Kommentierung eines berechtigten Gerichtsurteils verletzt sogar mein nachchristlich- nichtchristliches Empfinden.

Dieser alberne, geschmacklose Begriff für das Kruzifix wird weder den Lesern gerecht, die damit etwas Wertvolles verbinden, noch denen, die sich davon eine Kirchenneurose zugezogen haben.

Ich bitte in diesem Fall um eine persönliche Antwort: War der „Balkensepp“ ein Ausrutscher, oder steht ihr zu einem solchen journalistischen Stil? Denn dann sollte ich doch wieder zur Frankfurter Rundschau zurückkehren. Mit freundlichem Gruß Karin Rohr

Liebes taz-Team, mit Freunden habe ich die Leserbriefe gelesen, die sich über „Lattengustl“ und „Balkensepp“ empören. Dabei ist mir aufgefallen, daß die ach so auf Meinungs- und Religionsfreiheit bedachten Leser natürlich sofort ihr Abo kündigen, wenn sie mit provokanten Artikeln konfrontiert werden. Nein, da nützt auch das ganze Multikulti-Engagement nichts, Satire darf bitte nicht auf den lieben Gottessohn losgelassen werden. Dabei ging es in dem Artikel ja nicht um das Wesen der Religion, sondern um ein von Menschen stilisiertes Symbol, das schon bei der Schlachtung ganzer Völker und Kulturen ins Feld geführt wurde. Aber diese kleine Feinheit kann bei all den Gebeten schon mal übersehen werden. Ich habe bei dem Artikel jedenfalls herzhaft gelacht und hoffe, daß ihr bei eurem Stil bleibt. Scheinheilige Distanz und Sachlichkeit im Stile von FAZ und Welt sind in meinen Augen weitaus gefährlicher für die Meinungsbildung als ein Schuß Satire, über den man allerdings dann etwas nachdenken müßte ...

P.S.: Ein kalter Schauer durchlief mich allerdings bei dem Blick auf eure heutige Titelseite: Die Tatze in grau!!! Ich bin entsetzt. Ich hoffe, ihr müßt nicht an der Farbe sparen. Ich zahle lieber zehn Pfennig mehr, die Welt ist schon grau genug. Mut zur Farbe, die nächste Bundestagswahl kommt bestimmt ... Viele Grüße Lutz Binder

[...] Man kann zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehen, wie man will. Man darf aber, wenn man gewisse elementare Grundregeln des menschlichen Anstands und der Achtung Andersdenkender wahren will, einfach nicht handeln, wie Ihre Zeitung das offenbar für richtig hält. Zwei Jahrtausende christlicher Kultur auch mit allen Schattenseiten dürfen nicht in dieser billigen Weise verhöhnt werden. Ich möchte nicht zu dem Kreis der Leute gehören, an die Sie sich mit dieser Titelseite wenden. Werner Buckel, Karlsruhe

„Gehet hin im Frieden“, möchte man den empörten Lesern zurufen, die der taz ihre „skandalöse Überschrift“ vom „Balken- Sepp“ vorwerfen. So viel Aufregung war nie. Warum eigentlich? Der „Balken-Sepp“ ist eine in Bayern durchaus übliche Bezeichnung, mit der das Kreuz ein wenig respektlos und ein wenig gemütlich-bajuwarisch bezeichnet wird. Kein Grund, zu schäumen oder – wie wir in der Schweiz sagen – gli zum Hüüs ussispringe.

Von der taz kann und muß man einen saloppen, frechen Umgang erwarten. [...] Gert-Thomas Hürnlimann,

Basel

Mal wieder typisch. Kaum daß die taz zum Kruzifix-Urteil frech und bissig titelt, fallen ihre Leser im Beichtstuhl in Ohnmacht. Was unterscheidet die Leserbriefe im Altöttinger Anzeiger von denen der taz? Die Briefmarken sind bunter. Also, mal herhören, ihr, die ihr mit Abscheu vor dem „Balken-Sepp“ steht: Warum fordert ihr nicht gleich die Ablösung des Chefredakteurs wie der werte Herr Leo Kirch bei der Welt? Im Prinzip weht doch derselbe Geist der Intoleranz aus euren Gesangbüchern. Freunde: Laßt die Kirche im Dorf und die Kreuze im Schrein. Angesichts der Bigotterie in unserem Land kann ein wenig Blasphemie nichts schaden. Sybille Karoczyk, München

In Ihrem Bericht vom 14.8. in der taz: „Die Union wird von Kreuzschmerzen geplagt“. Ich bin jetzt 38 Jahre alt und war von 1967 bis 1972 in Bethel im Heim [...]. Die ersten drei Jahre waren sehr schrecklich, wir mußten jeden Sonntag in die Kirche gehen, und wenn wir nicht wollten, gab es Prügel von Nonnen. Das wirkt bis heute nach, dies war eine sehr bittere Erfahrung mit dem Christentum. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine sehr gute Entscheidung, wie ich meine. Dieter Gruschensky