: Krümmel-Monsters Comeback
■ HEW melden: Der Reaktor ist anfahrbereit / Kiel prüft die Unterlagen /Umweltinitiativen fordern Verzögerungstaktik Von Marco Carini
Geht es nach den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW), kann der Atommeiler Krümmel sofort wieder ans Netz. HEW-Sprecher Johannes Altmeppen bestätigte gestern gegenüber der taz: „Wir haben am Donnerstag dem Kieler Energieministerium gemeldet, daß der Reaktor anfahrbereit ist“. Im Möller-Ministerium heißt es dazu: „Wir prüfen zur Zeit die von der HEW eingereichten Unterlagen.“ Dies sei aber „keine Sache von ein paar Stunden“.
Seit einer Routine-Überprüfung des Kraftwerks im August 1993, bei der Risse in den Schweißnähten entdeckt wurden, ist das AKW außer Betrieb. Seitdem stritten sich HEW und Kieler Energieministerium um das richtige Reparaturkonzept. Nun sollen alle Risse beseitigt und jede neue Rißbildung ausgeschlossen sein. Akzeptiert die Kieler Aufsichtsbehörde die von der HEW eingereichten Unterlagen, dürfte der Reaktor schon in der kommenden Woche wieder ans Netz gehen. Das Kieler Energieministerium kündigte bereits an, spätestens am kommenden Mittwoch mit seiner Bewertung der HEW-Unterlagen an die Öffentlichkeit zu gehen.
Bis dahin will die Kieler Aufsichtsbehörde auch noch ein anderes Papier prüfen, das ebenfalls seit Donnerstag im Möller-Ministerium vorliegt: Das Krümmel-Gutachten des Ökoinstituts Darmstadt. Die Darmstädter ForscherInnen sollten unter anderem anhand interner Kraftwerksunterlagen überprüfen, ob es zwischen 1983 und 1988 zu unbemerkten Strahlen-Freisetzungen gekommen sein kann. Das behauptet die Bremer Physikerin Ingrid Schmitz-Feuerhake, die darin zugleich die Ursache der auffälligen Häufigkeit von Leukämie-Erkrankungen im Unterelbe-Raum sieht. Doch die Untermauerung der Schmitz-Feuerhake These, so verlautet aus den gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen, sei dem Darmstädter Institut nicht gelungen.
Während so alles für ein baldiges Comeback des „Krümmel-Monsters“ spricht, versuchen die AtomgegnerInnen mit letzten verbalen Anstrengungen, die Wiederinbetriebnahme doch noch zu verhindern. „Unverantwortlich“, so verlautbaren Schleswig-Holsteins Grüne und Robin Wood gleichlautend, sei es, den Atommeiler ans Netz gehen zu lassen, solange nicht endgültig geklärt sei, ob die erhöhte Blutkrebsrate im Unterelberaum durch den Atommeiler ausgelöst wurde.
Robin Wood fordert Energieminister Möller deswegen auf, „die Betriebsgenehmigung auch gegen Bonner Druck solange zu verweigern, bis der Verdacht ausgeräumt ist oder eine Anweisung aus Bonn keinen anderen Weg mehr offen läßt“. Doch den Minister dürfte die Angst vor millionenschweren Schadensersatzklagen der HEW von einem solchen Schritt abhalten.
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